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Das Marmorne Paradies: METRO 2033-Universum-Roman (German Edition)

Das Marmorne Paradies: METRO 2033-Universum-Roman (German Edition)

Titel: Das Marmorne Paradies: METRO 2033-Universum-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Kusnezow
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eindeutig besser mit Licht versorgt als die restliche Station. Der hiesige »Broadway«, ein schmaler Gang, der vom einen Ende der Station bis zum anderen reichte und zwischen den zwei Reihen von Wohn- und Arbeitszelten parallel zum Bahnsteig verlief, war schummrig beleuchtet. Es herrschte ein spezifischer Geruch nach schwerer Arbeit, Resignation, nach Menschen, die ihre Köpfe vor einer freudlosen Zukunft senkten. Also ist das hier auch nicht das Paradies, dachte Sergej. Aber wo war es dann? In der Polis? Bei der Lenin-Bibliothek?
    Jetzt, mitten am Tag, waren alle Wohnzelte dunkel und still, dagegen drang aus den hellen Produktionszelten ein unablässiges Klopfen und Summen von verschiedenen technischen Geräten und Maschinen sowie Stimmen, die knappe, sachliche Unterhaltungen führten. Hinter den Zeltwänden bewegten sich die Schatten der Menschen, aber auf der »Straße« war kein Mensch zu sehen. Mich würde interessieren, dachte Sergej, ob die Soldaten hier auch die Faulpelze aus der arbeitenden Menge herausfischen, so wie es im vorigen Jahrhundert gemacht wurde. Wäre durchaus nicht unwahrscheinlich. Alle arbeiten, nur wir müssen immerzu weiterziehen …
    Nach der gestrigen Stärkungsspritze, die ziemlich schmerzhaft gewesen war, fühlte er heute einen ungewöhnlichen, innerlichen Aufschwung. Fast als ob die Krankheit sich zurückziehen würde … Vielleicht würden sie Wosnizyn ja doch finden, und dieser würde alles in Ordnung bringen, ihm Aufschub gewähren.
     
     
    »Setzt euch hier hin«, sagte Max. »Ich schaue kurz in der Verwaltung vorbei und gebe Michejews Brief dort ab.«
    Sergej, der neugierig war und voller Energie steckte, wollte zu gerne wissen, was in dem Brief stand, und konnte sich nur mit Mühe eine Frage verkneifen.
    Max blieb ziemlich lange weg. Denis, der sich gegen seinen Vater gelehnt hatte, begann bereits einzudösen. Endlich tauchte Max wieder auf, er war in Begleitung eines großen Mannes, der einen Tarnanzug ohne Schulterstücke trug. Er hatte ein längliches Pferdegesicht und helle, fettige Haare, die nach hinten gekämmt waren. Auf seinem Rücken baumelte ein Gewehr.
    »Ich heiße Stepanow«, sagte der Mann. »Michejew schreibt, dass Sie nichts mit dem Mord an Litjagin zu tun haben. Ich vertraue ihm und lasse Sie ziehen. Auch Ihre Visa unterschreibe ich. Aber der ganze Vorfall ist höchst unangenehm und vor allem merkwürdig. Wir hatten hier schon lange keine Verbrechen mehr, und erst recht keine, die so albern, mit Pfeilen, ausgeführt wurden.«
    »Soll das heißen, dass unser Transitvisum an jeder Station bis zur Ploschtschad Iljitscha neu geprüft wird?« Sergejs Stimme klang erregt. »Wir haben dafür keine Zeit! Michejew
hat uns versprochen, dass unsere Papiere genügen, um bis zur Marxistskaja durchzumarschieren! Warum legen Sie uns hier Steine in den Weg?«
    Stepanows Pferdegesicht wurde grimmig und zog sich noch hässlicher in die Länge.
    »Sie sind Fremdlinge«, sagte er. »Die vor gerade mal zwei Tagen von der Oberfläche gekommen sind. Direkt aus der Wildnis. Und mit Ihrem Auftauchen haben hier die Verbrechen begonnen. Sie behaupten, Wosnizyn zu suchen, und ausgerechnet der ist auf einmal verschwunden. Und seine Leute werden umgebracht! Michejew und ich, wir haben das Recht, Sie aufzuhalten, bis diese Vorfälle aufgeklärt sind, aber …« An dieser Stelle warf er Max einen kurzen, fast schon untertänigen Blick zu. »Aber wir werden das nicht tun. Vorerst. Aus einer Reihe von Gründen.«
    Max zeigte Sergej hinter Stepanows Rücken die geballte Faust. Aber der hatte schon selbst begriffen, dass er mit seinen Vorwürfen gegenüber dem Vertreter der Macht übers Ziel hinausgeschossen war: Dies war weder der richtige Zeitpunkt noch der richtige Ort dafür. Verwirrt murmelte er eine Art Entschuldigung vor sich hin: »Ja, ja, natürlich, Sie haben ja Recht, verzeihen Sie …« Aber den seltsamen Blick, den Stepanow Max zugeworfen hatte, und auch dessen merkwürdige Wortwahl – »aus einer Reihe von Gründen« – speicherte er in seinem Gedächtnis. Es kamen immer neue Rätsel hinzu, und gleichzeitig wuchs Sergejs Entschlossenheit, endlich von Max deren Lösung zu erfahren.
    Stepanow unterschrieb mit einem Knurren die Transitvisa und verschwand. Sergej und Denis hatten sich auf die ausgetretenen Stufen am Ende des schmalen Durchgangs
niedergelassen. Die Station brummte wie ein Bienenstock: Es summte und klopfte und polterte, menschliche Stimmen in verschiedener Lautstärke

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