Das marokkanische Mädchen. Ein Fall für Jacques Ricou
man tot ist, kommt man in den Himmel. Meine Mama und mein Papa sind auch schon dort. Die treffen jetzt deine Mama und deinen Papa.«
»Warum sind deine Mama und dein Papa schon da?«
»Die waren alt. Wenn man alt ist, dann stirbt man irgendwann.«
»Wie Opapa.«
Kalila nahm ihren Marienkäfer, dann warf sie sich in Sophies Arme und weinte wieder.
»Ich will zu meiner Mama.«
Sophie umarmte das Mädchen fest, wiegte es hin und her und schwieg.
»Warum warst du eigentlich in das Versteck im Auto geklettert?«
Kalila richtete sich auf und sah Sophie an.
»Woher weißt du, dass ich da drin war?«
»Weil du doch da rausgekommen bist.«
»Papa und Mama haben sich gestritten. Papa hat Mama sogar geschlagen. Dann hat sie geschrien. Wenn die böse waren, habe ich mich immer da verkrochen. Da war ich sicher.«
»Ihr wolltet doch Picknick machen. Machst du gern Picknick?«
»Lieber, wenn noch Christine dabei ist.«
»Wer ist Christine?«
»Weißt du nicht? Meine beste Freundin.« Kalila schaute die kleine Frau an und fragte: »Sind Mama und Papa jetzt tot, weil sie sich gestritten haben?«
»Nein …«, Sophie fing plötzlich an zu schluchzen und nahm Kalila wieder in die Arme. Jetzt weinten beide. Leise. Ihre Körper zitterten. Sophie drückte das Mädchen fest an sich und legte ihre Wange auf deren Kopf. Zwischen ihren geschlossenen Lidern quollen Tränen hervor.
Als sie sich ein wenig gefasst hatte, fragte Sophie: »Und warum seid ihr in den Wald gefahren, wolltet ihr da Picknick machen?«
»Nein, da wollten wir den Onkel treffen.«
»Hatte der Onkel euch gesagt, dass ihr dort hinkommen sollt?«
»Ja, das hat er Papa gesagt. Da sollten wir den Onkel treffen. Und dann zum Picknick fahren.«
Nach einem kurzen Moment des Schweigens brach die Aufzeichnung ab.
Jacques stand auf, ging zum Fenster und schloss es. Er wollte vor dem Kommissar verbergen, dass ihm Tränen in den Augen standen.
Jean Mahon räusperte sich und sagte: »Der Onkel! Und was machen wir jetzt?«
»Ich lass Martine herausfinden, ob der Onkel in Marrakesch in seinem Büro ist und fliege Anfang der Woche hin. Morgen ist Samstag, da können wir ohnehin nichts tun. Und ich muss das offiziell über die marokkanische Botschaft spielen. Ich gebe an, Ibrahim Rossi wegen des Mordes an seinem Schwager als Zeugen befragen zu wollen. Das ist das Natürlichste auf der Welt.«
Die Amazonen der Republik
M anchmal drängen sich merkwürdige Gedanken ins Bewusstsein. Jacques überlegte, ob er vielleicht an Verfolgungswahn litte. Also, nicht richtig, aber ob Margaux, als sie ihn zum ersten Mal interviewte und dabei sehr charmierte, den aufstrebenden Untersuchungsrichter Ricou nicht schon längst als Opfer ausgesucht hatte, um ihn wie ein Insekt im Netz der Spinne auszusaugen. Mittels Sex.
Mit Sex nimmt man es in Paris ja nicht so genau. Aber das ist nun wirklich keine verblüffende Erkenntnis.
Schließlich ist die Kultur der Liebe eine Erfindung der französischen Troubadoure, der Minnesänger. Eine Kultur, die der Frau über die Liebe einen neuen gesellschaftlichen Status gibt und sie gleichberechtigt neben den Mann stellt. Ja, häufig bestimmt sie das amouröse Spiel, lässt den Eroberer leiden und lechzen, indem sie ständig neue Beweise für seine Ernsthaftigkeit fordert.
Es gibt in Paris heute noch genügend Fälle, die zeigen, dass Politiker, je höher sie steigen, immer attraktiveres Freiwild für Journalistinnen werden oder für Schauspielerinnen, siehe Monsieur Hollande.
Die schöne Anne Fulda vom Figaro angelte sich Nicolas Sarkozy, damals noch Innenminister, als dessen Ehefrau Cécilia zu einem anderen zog. Anne Fulda ließ sich scheiden. Zusammen kauften die Journalistin und der Minister Möbel für die zukünftige gemeinsame Wohnung. Aber dann kam Cécilia für ein paar Wochen zurück, und Sarkozy ließ Anne Fulda fallen. Äußerst unelegant.
Aber kaum war Sarkozy zum Präsidenten gewählt, machte Cécilia endgültig die Mücke. Wenig später zog sich die äußerst attraktive Laurence Ferrari eine tief ausgeschnittene Bluse zum Interview mit Sarkozy an, und schon war es um ihn geschehen. Zusammen flogen sie nach Marrakesch. Laurence Ferrari ließ sich scheiden.
Dann kam aber auch schon Carla und grabschte sich den Präsidenten Sarkozy. Seine abgelegte Freundin Ferrari brachte er wenigstens standesgemäß als Moderatorin bei der populärsten Nachrichtensendung von TF 1 unter. Aber kaum war Sarkozy abgewählt, wurde Ferrari bei TF 1
Weitere Kostenlose Bücher