Das marokkanische Mädchen. Ein Fall für Jacques Ricou
dem Mohammed aus irgendeinem Grund gefährlich wurde. Aber: wer, welcher Hintergrund, welches Motiv?«
»Ich sehe zwei Schwerpunkte, Jacques. Als allerersten immer noch Drogen. Schließlich lagen im Kofferraum Hanfstängel im Verkaufswert auf der Straße von bald hunderttausend Euro. Und dafür spricht auch die Anwesenheit seines alten Kumpels auf dem Beifahrersitz. Das herauszufinden dürfte nicht allzu schwer sein.«
Jean Mahon rückte seinen Stuhl näher an den Tisch, ehe er weitersprach.
»Es kann sich doch bei den Mördern nur um hiesige Leute handeln, die irgendwo Hanf angepflanzt haben. Wir sind dran und haben die Drogenfahndung mit einbezogen. Zum anderen: Geldwäsche im Zusammenhang mit Drogengeldern. Da wird’s schon schwieriger. Dahinter können Leute aus dem Ausland stecken, wer auch immer. Ist aber möglich, wenn wir nur an die Lieferung des Corbeau denken mit dem Foto vor der Bank in Genf. Sobald wir wissen, wer die zweite Person ist, könnten wir weiterkommen. Ich würde auch den Schwager noch nicht ausschließen. Wer weiß, über welche Kontakte der verfügt.«
»Monsieur Ibrahim?«, fragte Jacques scherzend.
»Um Gottes willen! Monsieur Rossi!«, antwortete der Kommissar übertrieben laut.
»Habt ihr über den inzwischen mehr herausgefunden?«
»Nicht wirklich. Ibrahim hat kein Polizeidossier. Er ist nie aufgefallen, ist nicht einmal zu schnell gefahren. Er hat keine Kredite platzen lassen und gilt als belesen und kultiviert, im Gegensatz zu seinem Schwager Mohammed. Ich habe einen Freund beim Inlandsgeheimdienst angespitzt nachzusehen, ob es nicht in deren Akten etwas gibt. Der will das machen, hat fürs erste nichts gefunden, meint aber, dass Ibrahim sicher schon überprüft worden ist, weil er bei dem Ingenieurbüro arbeitet, das mit der Schnellstrecke der Bahn in Marokko beauftragt ist. Aber – halt dich fest – dieses Ingenieurbüro gehört Georges Hariri.«
»Der Schattenmann hat seine Finger überall drin. Was ist mit dem möglichen Streit um Geld mit Ibrahim Rossi?«
»Keinen Hinweis. Nichts.«
Gaston schaute fragend aus der Tür des Bistros. Alles in Ordnung?
Ja. Wir haben alles. Danke.
»Wer auch immer dahintersteckt«, sagte Jacques, »ich mache mir Sorgen um die Sicherheit des Mädchens. Auch der Mörder weiß: Kalila ist die einzige Zeugin. Wie können wir sie schützen? Jérôme hat seine Jungs mobilisiert. Die haben vielleicht guten Willen, aber denen traue ich nicht allzu viel zu. Auf der anderen Seite hat Jérôme recht: Es hat immer wieder undichte Stellen bei der Polizei gegeben.«
»Bisher habe ich für meine Leute immer die Hand ins Feuer legen können«, sagte Jean Mahon.
»Mag schon sein. Aber kannst du dich an den Fall Angola erinnern? Als wir bei dem Waffenhändler Sotto Calvi anrückten, um sein Büro zu durchsuchen, war der eine Minute vorher über die Tiefgarage geflohen. Irgendjemand hatte ihm einen Tipp gegeben. Irgendjemand von der Polizei.«
»Und wer es war, das haben wir schnell rausbekommen. Es war keiner von meiner Truppe, wenn du dich recht erinnerst, Jacques.«
»Schon richtig. Aber deine Truppe ist zu groß, um ein solches Geheimnis sicher wahren zu können. Nehmen wir mal an, wir müssten einen neuen Einsatz wie vorgestern beim Krankenhaus auslösen. Das bedeutet zu viele Leute, die nicht direkt aus deiner Truppe kommen.«
»Wir können vielleicht zwei Mitarbeiter, Fabienne und noch jemanden aus dem laufenden Betrieb abziehen und ihnen offiziell eine Sondermission anvertrauen. Ist es ja auch, wenn wir sie dann in Jérômes Wohnung oder Praxis einsetzen. Die beiden müssten allerdings dort wohnen.«
»Und sie müssen bewaffnet sein. Wie gut kann Fabienne mit einer Waffe umgehen?«
»Alle in meiner Truppe gehen regelmäßig zum Schießtraining – auch mit der Schnellfeuerwaffe. Wer bei der Treffsicherheit nicht ständig im oberen Drittel liegt, kann bei mir nichts werden.«
Beschlossene Sache.
Jacques zahlte auch den Kaffee des Kommissars und ließ sich überreden, mit ihm ins Büro zu fahren, weil er einen großen Karton mit sich herumschleppte, der in der Metro doch sehr lästig gewesen wäre.
»Was hast du denn da drin?«, fragte der Kommissar.
»Eine neue Kaffeemaschine fürs Büro. Der Kaffee bei Betonmarie ist so viel besser, seitdem sie eine neue Maschine hat – und zwar privat bezahlt, hat mir Justine gesagt. Da habe ich gedacht, was soll der Geiz, ich kaufe jetzt auch eine eigene Maschine für Martine. Wenn du also willst,
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