Das Mars-Labyrinth: Roman (German Edition)
miteinander verzahnter Dreiecke. Er bietet es seiner Herrin mit ausgestrecktem Arm dar. »Kuhru dachte, das würde dir gefallen. Es ist hübsch. Die Königin mag hübsche Dinge.«
»Idiot!«, schreit sie und schlägt ihm den Panzer aus der Hand.
Er fällt auf den Betonboden. Ein paar Sekunden lang kreiselt er im Staub. Als er zur Ruhe kommt, erkennt die Königin ein anderes Muster auf dem Panzer – ein Muster, das es auf diesem Planeten gar nicht mehr geben sollte.
Sie keucht und schnappt sich das Ding. Betrachtet es eingehender, legt die Handfläche auf die Außenseite und verdreht die Augen.
Ekstase.
»Er ist frisch«, sagt sie und lächelt, als stünde sie unter Drogen. Tatsächlich fühlt sie sich auch so. »Kuhru, mein Lieber, wo hast du diesen Carapax gefunden?«
»Cara ...?«
»Diese Schale! Wo hast du sie gefunden?«
»Gestohlen. Von dem Menschenmädchen, das übrig war.«
»Unmöglich.« Sie drückt die leere Schale an ihre Brust, hätschelt sie wie ein Stofftier. »Sie sind alle tot. Ausgerottet. Aber diese Schale ist frisch. Und sie ist klein. Ein Junges! Das kann nur eines bedeuten!«
Sie bohrt Kuhru die Spitze des Viehtreibers in die Nase. Er kreischt vor Schmerzen, obwohl er einen halben Meter größer und hundert Kilo schwerer ist als sie. »Ruf die Räuber zusammen. Ihr müsst nach Fisher Four.«
»Wegen der Schale?«
»Nein, du Trottel«, sagt sie und verdreht den Viehtreiber, um Kuhru so schmerzhaft wie möglich auf die Beine zu bringen. »Weil diese Minenbewohner einen größeren Schatz haben, als ich mir je hätte träumen lassen.«
KAPITEL 5
T EMPLE D ISTRICT , N EW E DEN A NNOS M ARTIS 238. 4. 7. 08:48
Die Geiseln nach Hause zu bringen kostet uns den größten Teil des Vormittags. Wegen der Medis schlafen sie während des ganzen Weges zum Tempelquadranten am Rande von New Eden, wo sich das Anwesen der Bramimondes befindet.
Das Haupthaus ist ein kreuzförmiges Gebilde aus Metall und Beton mit hohen Fenstern. Mehrere Terrassen führen hinaus in den Garten. Ich bin in einem solchen Haus aufgewachsen. Bis die CorpComs es niedergebrannt haben, um meinen Vater für seine Verbrechen zu strafen.
Am Hintereingang werden wir von drei Bediensteten empfangen. Zwei von ihnen bringen die Kinder hinein, während der dritte – ein silberhaariger Mann in einer schlichten braunen Tunika – uns in das Allerheiligste der Dame Bramimonde führt.
»Ich kassiere unser Honorar«, sage ich zu Vienne.
»Jawohl«, sagt sie. »Wir treffen uns doch nachher in Ares’ Pub, oder?«
»Wird nicht lange dauern. Äh ... Vienne?«
»Ja?«
»Danke. Ich hätte nicht ...«
»Nein, Chief, ich habe versagt. Ich hätte das Mädchen packen sollen, ehe es fallen konnte.«
»Nein, ich habe den Schalter übersehen.«
Sie hebt eine Hand, lässt sie dann aber wieder sinken. Eine Geste des Unbehagens, vollzogen in unbehaglichem Schweigen. Ich wusste gar nicht, dass sie zu so etwas wie Unbehagen fähig ist. Normalerweise bewegt sie sich mit einer Anmut durchs Leben, die einem den Atem verschlägt, wenn man es zulässt. Ich lasse es nie zu, denn ich bin der Chief. Und wenn ein Soldat unter deinem Befehl sich noch so geschmeidig und aufreizend bewegt – das gehört nicht zu den Dingen, die dich interessieren sollten. Unsere Beziehung ist rein beruflich. Nicht, dass wir eine Beziehung im Sinne einer Beziehung hätten. Nur eine berufliche. Ganz und gar beruflich.
»Der Chief ist nie schuld«, sagt Vienne.
Der Chief ist immer schuld. Das hat Mimi mich gelehrt. Aber das jetzt zu erörtern, würde sie noch mehr in Verlegenheit bringen.
»Wir sehen uns im Pub.«
»Sicher, Chief?«, fragt sie. »Oder hättest du gern Unterstützung?«
»Ich glaube, mit einer gealterten Orthokratin werde ich fertig«, sage ich und zwinkere ihr zu.
***
»Sie unfähiger Idiot!«, kreischt Dame Bramimonde, als ich eintrete. Die Luft hier drin ist muffig, und es riecht nach Seidenblumen und Staub. Beides gilt auch für Madame. »Wie konnten Sie bei einer so einfachen Mission ein solches Chaos anrichten?«
»Ich freue mich auch, Sie wiederzusehen, Madame«, erwidere ich. Dann bitte ich Mimi, den Raum zu scannen. Dame Bramimonde ist nicht gerade unsere vertrauenswürdigste Klientin.
Die Dame sitzt in einem Sessel mit hoher Lehne. Ihr Gesicht ist eine weiße Pudermaske mit Azuritlippen und Augenbrauen, die aus einer dünnen, indigoblauen Linie bestehen. Sie hat einen schnurgeraden, kobaltblau gefärbten Pony, und in ihr Haar sind Dutzende
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