Das Mars-Labyrinth: Roman (German Edition)
und deine Innereien an die Dræu verfüttern. Wie würde dir das gefallen?«
»Meine Königin«, ächzt er, »es würde mir gar nicht gefallen.«
Sie beißt die Hälfte des gekochten Eis ab. Die andere Hälfte legt sie Postule auf die Lippen. »Mund auf.«
Er gehorcht, und das halbe Ei fällt in seinen Mund.
»Kauen.« Er tut es. Die Königin legt die rasiermesserscharfe Schneide des Dolches an seine Kehle. »Und jetzt schlucken.«
»Schlucken?«, winselt der fette Mann. »Aber das Messer ...«
»Wenn du mich liebst, als deine Königin«, sie lächelt niederträchtig, »wirst du gehorchen, ohne Fragen zu stellen. Du liebst mich doch, oder?«
»Meine Liebe für Euch ist so groß und tief wie das Hellenische Meer, meine Königin.«
Lügner. »Dann schluck. Und mach keinen Piep, wenn du einen kleinen Stich fühlst.«
Mit einem panischen Ausdruck in den geweiteten Augen schluckt er das Ei. Sein Adamsapfel hüpft unter einer Schicht wabbeligen Fettes auf und nieder, und die Schneide des Messers öffnet eine vier Zentimeter lange Wunde. Postule atmet hörbar ein. Aber er schreit nicht.
»Braver Junge«, sagt sie und springt von ihm herunter. »Jetzt weiß ich, dass ich mich auf deine Loyalität verlassen kann. Auch wenn ich deinem Urteilsvermögen nicht traue.«
»Meine Königin?«
»Deine Aufgabe war einfach. Nimm das Lösegeld in Empfang. Ich habe nicht gesagt, du sollst versuchen, die Bramimonde-Kinder zu ersäufen. Die Geiseln zu töten ist schlecht fürs Geschäft. Wir arbeiten nach einer ganz einfachen Formel: Kinder schnappen. Lösegeld einstreichen. Kinder unversehrt gehen lassen. Jeder weiß das, darum zahlen ja auch alle. Wenn wir von dieser Vorgehensweise abweichen, erregt das Zweifel. Warum sollten Eltern noch bezahlen, wenn ihre Kinder so oder so sterben?«
»Aber, meine Königin, Madame Bramimonde ist diejenige, die von der Vorgehensweise abgewichen ist. Sie hat Regulatoren geschickt, um ihre Tochter zu retten.«
»Hältst du mich für so dumm?«, knurrt die Königin. »Denkst du, ich wüsste das nicht? Aber es waren keine echten Regulatoren, nicht wahr? Es waren Dalit , und sie waren nur zu zweit. Wie kann ein ganzer Stoßtrupp zwei Dalit unterlegen sein?«
»Das waren keine gewöhnlichen Dalit , verdammt! Einer ist durch das Dach gestürzt!«
»Erstens: Wage es nicht, noch einmal in meiner Gegenwart zu fluchen. Zweitens: Wer wäre dumm genug, durch ein Dach zu stürzen, wenn er ebenso gut zur Tür hereinkommen könnte?«
»Sein Name war Durango.«
Natürlich war es Durango. Er musste es sein. Das Schicksal, dieses elende Luder, hätte nichts anderes zugelassen. »Trotzdem hast du versucht, die Geiseln zu ertränken, also muss ich dir eine andere Aufgabe übertragen. Postule, mein ekelhafter Freund, ich glaube, es wird Zeit, dass du die Dræu kennenlernst.«
»Meine Königin! Bitte!« Er faltet die Hände wie zum Gebet und rutscht auf den Knien auf sie zu.
»Hör auf zu betteln. Wenn du betteln sollst, sage ich es dir. Und jetzt steh auf.« Sie hakt einen Finger in seinen Mund ein und zieht. Er kommt auf die Beine, wobei er stöhnt und blindlings um sich schlägt. »Oh, bitte, Postule! Du musst lernen, ein bisschen Schmerz zu ertragen. Du hast eine lange und beschwerliche Reise vor dir, und wir wollen nicht, dass du schon unterwegs vor lauter Angst stirbst.«
KAPITEL 7
J AISALMER D ISTRICT , N EW E DEN A NNOS M ARTIS 238. 4. 7. 09:09
Der Ostteil von New Eden ist ein übervölkertes, lautes, übelriechendes Stadtviertel, das der kluge Mann nur mit einer Hand am Heft eines Messers und der anderen auf seiner Börse bereist. Was dieses Viertel zum perfekten Ort für arbeitsuchende, ungebundene Regulatoren wie uns macht.
Auf dem Weg zu Ares’ Pub gehe ich quer über den Basar. Der Basar findet in einer der ältesten überdachten Straßen New Edens statt, einer Prachtstraße mit einem gewölbten Metalldach, das den Regen fernhält. Zwar liegt der Stadtkern größtenteils unter einer Wohnkuppel, aber die Kuppel leckt wie ein Sieb, wenn es regnet, und in New Eden regnet es immer. Aber zumindest gibt es etwas zu tun. Hunderte von kleinen Läden und Marktständen säumen die Straße zu beiden Seiten. Hier bekommt man alles, was man sich nur wünschen kann – Kleider, Bettwäsche, Töpfe, Waffen, sogar Fleisch, wenn man nichts gegen Ratte am Spieß hat.
Als ich Ares’ Pub erreiche, sehe ich, dass Vienne draußen an einem der Tische sitzt. In der Nähe drücken sich zwei andere Dalit
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