Das Mars-Labyrinth: Roman (German Edition)
dem Munitionsgurt zu nehmen und ihn in den Magazinschacht einzuführen. Mit dem Mädchen auf dem Arm renne ich durch den Vorraum. Draußen gehen Jenkins und Vienne am Viadukt in Stellung, und mir wird bewusst, dass ich die Brücke auf keinen Fall hinter mich bringen kann, ehe der Dræu mich entdeckt.
Treppen.
Rechts von mir.
Meine Stiefel klirren auf den Metallstufen. Ich trage das Kind zum Schienenbett, wo ich eine rostige Tür entdecke, die in den Keller führt. Ich trete sie auf und schiebe das Mädchen hinein.
»Bleib hier«, zische ich. »Und komm nicht wieder raus. Egal warum.«
Das Kind ist jetzt schon den Tränen nahe, und mein barscher Ton gibt ihm den Rest. »E-es ... es ist so dunkel. Ich hab Angst.«
»Nein, nein, nein«, sage ich. »Nicht weinen, nur verstecken. Das kannst du doch, oder? Alle Minenbewohner sind gut im Verstecken.«
Sie nickt mit ihrem kleinen Elfenköpfchen und gibt sich tapfer, und mir wird klar, dass dieses Mädchen mehr Tapferkeit und Mumm aufbringen muss, um diesen dunklen, beängstigenden Ort zu betreten, als ich brauche, um mich einem Dræu entgegenzustellen. Ich habe eine Waffe und eine Körperpanzerung. Das Kind hat nur sich selbst.
»Braves Mädchen«, sage ich und komme mir dabei so unbeholfen vor wie Jenkins bei dem Versuch, Walzer zu tanzen. »Hab keine Angst. Ich komme bald wieder.«
Als ich die Tür geschlossen habe, gehe ich hinter dem Schutt auf dem Gleisbett in Deckung. Von hier aus kann ich die Kellertür decken und den Dræu im Visier behalten. Über mir, auf dem Viadukt, halten die anderen die Stellung.
Ich rufe Vienne über den Aural-Vid-Link. »Bleibt, wo ihr seid, und deckt die Befreundeten, bis sie in Sicherheit sind.«
»Jawohl!«, antwortet sie.
Ich sehe, dass Ebi das Feuer eingestellt hat. Sie und Fuse haben den verletzten Mann unter den Achseln gepackt und schleifen ihn mehr oder weniger in den Schutz des Tunnels.
Ein neuerlicher Feuerstoß. Der dünne Mann kreischt. Greift nach seinem Oberschenkel. Blut ergießt sich über sein Hosenbein, und er stolpert nach vorn und reißt Ebi mit sich zu Boden.
»Jenkins!«, brülle ich in den Aural-Link. »Verdammt! Schieß nicht auf Befreundete!«
»Das war ich nicht!«, brüllt er zurück. »Ich hab noch nicht mal nachgeladen. Die Knarre klemmt.«
»Dræu!« Vienne zeigt auf eine Gestalt, die sich aus dem Rauch schält.
Er ist einen Kopf größer als die anderen, wie mir scheint, und trägt zwei überkreuzte Patronengurte über dem Brustkorb. Seine Uniform besteht aus Uniformteilen der Geheimen Einsatztruppen von CorpCom und einer gewöhnlichen Militäruniform, die er vermutlich einem Toten abgenommen hat. Seine Waffe ist eine Armalite mit einer Laserzielvorrichtung. Und diese Zielvorrichtung benutzt er nun, um Dame Bramimonde anzuvisieren.
Die Dame versucht verzweifelt, sich von ihrem blutenden Begleiter zu befreien, während Fuse und ihre Tochter an ihrem Arm zerren und versuchen, sie hinter einem ausrangierten Schienenwagen in Sicherheit zu bringen. Es sind nur ein paar Meter, aber sie werden es nicht schaffen.
»Ich habe freie Schussbahn«, sagt Vienne.
Aber ich habe bereits mein Armalite im Anschlag und stehe günstiger. Ich nehme den Dræu ins Fadenkreuz.
»Kann ich dir beim Zielen helfen?«, fragt Mimi.
»Nein, danke«, antworte ich.
In dem Herzschlag an Zeit, der vergeht, bis die Kugel unterwegs ist, fühle ich die Liebkosung des Schafts an meiner Wange. Ich spüre den Rückschlag, ein leichter Stoß, den mein Körper reflexhaft absorbiert. Das Auge, das ich beim Visieren geschlossen hatte, schlag ich in dem Moment auf, als die Kugel sich in den Schädel des Zielobjekts bohrt, drei Zentimeter über der linken Schläfe. Gleich darauf tritt sie auf der anderen Seite der Brauen wieder aus.
Der Dræu lässt sein Sturmgewehr fallen. Ein Rinnsal Blut ergießt sich über seinen Bart. Er tritt zurück, blinzelt, wackelt mit dem Kopf, als wollte er etwas aus seinem Ohr schleudern.
»Kein Abschuss«, sagt Vienne, und ich höre die Enttäuschung in ihrer Stimme.
Vergiss das, Durango. »Bereithalten.«
Ich nehme den Dræu erneut ins Visier und warte auf seinen nächsten Zug. Die Kugel hat, wie ich vermute, nur den Frontallappen seines Gehirns beschädigt. Zwar hat er zwei Löcher im Kopf, aber er wird es überleben. Und wir lassen ihn leben, wenn er nicht wieder zur Waffe greift.
»Mimi«, sage ich, um sie zu bitten, die Lebenszeichen des verletzten Mannes zu scannen.
»Scannen?«, fragt
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