Das Matarese-Mosaik
Diese Symond muß es schrecklich eilig gehabt haben. Sonst hätte sie den Anrufer einfach warten lassen und sich einen ordentlichen Stift geholt.« Der pensionierte alte Soldat ging mit dem Blatt zu einer Arbeitstheke, holte einen Drehbleistift aus der
Tasche und strich mit der Mine leicht über die Vertiefungen. »Was liest du, Roger?«
»NU drei fünf null.« Der junge Brewster las die jetzt zum Vorschein kommenden weißen Buchstaben laut vor. » Amst. K-Gr. Konf. Di. Surrey FH. Den Anfang und das Ende verstehe ich. Das ›NU drei fünf null‹ ist die Nummer am Leitwerk eines Privatflugzeugs. Das weiß ich, weil Mutter oft welche für Wildlife-Reisen chartern mußte. Und das ›Surrey FH‹ ist offensichtlich ein Airport in Surrey.«a
»Vielleicht kann ich auch ein wenig beitragen. Das ›Amst.‹ ist Amsterdam. ›Konf.‹ und ›Di‹ offensichtlich eine Konferenz am Dienstag. Das ›K-Gr.‹ – dabei handelt es sich offensichtlich um eine Adresse in Amsterdam. Und da wir annehmen können, daß ›Gr.‹ ›Gracht‹ bedeutet, was auf Holländisch soviel wie ›Kanal‹ ist, handelt es sich vermutlich um eine Adresse an einem Kanal mit dem Buchstaben ›K‹. Vermutlich gibt es Dutzende von Kanälen mit K und Hunderte, wenn nicht Tausende solcher Büros und Wohnungen.«
»Und was denken Sie, daß es bedeutet?« fragte Roger.
»Ich denke, wir sollten das schleunigst zu Sir Geoffrey Waters bringen.«
»Jetzt kommen Sie schon, Coley. Der sperrt mich sofort wieder in Frankreich ein.«
»Darüber wäre ich gar nicht so unglücklich, junger Mann. Also, jetzt nehmen wir diese Wohnung auseinander und suchen nach Hinweisen darauf, wo Henshaw sich aufhält. Aber wenn wir nichts finden, dann hast du doch deine Mission erfüllt, ist das richtig?«
»Und wenn sie zurückkommt?«
»Wir werden ein Abkommen mit Waters und MI5 treffen. Schriftlich, wenn du willst. Er wird diese Wohnung rund um die Uhr beobachten lassen. Falls Symond oder Henshaw zurückkommen, wirst du sofort verständigt und nach London zurückgeflogen.«
»Fangen wir an zu suchen!« rief Roger Brewster.
Sir Geoffrey Waters gab sich alle Mühe, einen Wutausbruch zu unterdrücken. Coleman hatte ihn gebeten, in die Brewster-Villa
zu kommen, und als er dort Roger Brewster sah, bekam er einen roten Kopf.
»Dir ist hoffentlich klar, Roger, daß du unserer Organisation und anderen großen Ärger bereitet hast, um es gelinde auszudrücken, und zugleich auch das Leben von Angela und James Montrose in große Gefahr gebracht hast?«
»Der Junge hat Ihnen aber auch eine außerordentlich wichtige Information geliefert, finde ich zumindest«, verteidigte Oliver Coleman den jungen Brewster. »Niemand von uns hat etwas von dieser Symond gewußt, bis Roger sich an sie erinnert hat. Das war er, nicht ich, und das sollte man ihm hoch anrechnen. Wie Sie ja selbst zugeben, konnte er sich nicht darauf verlassen, daß Ihre…«
» Myra Symond?« unterbrach Waters ihn. »Mein Gott, das ist ja unglaublich!«
»Ja, ich glaube, das war der Vorname, der auf den Briefumschlägen stand«, sagte Coleman. »Warum ist das unglaublich?«
»Weil sie eine von uns war! Eine Mitarbeiterin unserer Schwesterorganisation, MI6! Eine Spezialistin für Auslandseinsätze.«
»Und doch war sie ganz offensichtlich eine Verräterin, ein Maulwurf«, fuhr Coleman fort. »Unser junger Freund hat Ihnen also etwas geliefert, was Ihnen unbekannt war.«
»Wie konnten wir das wissen?« protestierte Waters. »Sie hat vor einem Jahr den Dienst quittiert – sie sei ausgebrannt, hat sie uns erklärt, was in unserer Branche gar nicht so ungewöhnlich ist.«
»Aber so stark war sie nicht ausgebrannt, daß sie nicht für jemand anderen arbeiten konnte«, sagte Roger. »Gerald Henshaw hat meine Mutter umgebracht, weil sie sich gegen diese Matarese gestellt hat, das beweist ihre E-Mail-Korrespondenz mit Madrid doch ziemlich eindeutig. Und plötzlich steckt diese Myra Symond mit Gerry zusammen, und Mum wird ermordet. Herrgott, Geof, man braucht doch wirklich kein Genie zu sein, um da den Zusammenhang zu erkennen!«
»Ja, ja, das ist ganz offensichtlich«, sagte Waters leise und nickte bedächtig, »und daß du darüber Bescheid weißt – sollte der Verdacht je aufkommen -, würde dir eine Kugel oder ein
Messer der Matarese eintragen. Und wie jemand erst vor kurzem gesagt hat: ›Sie sind überall. Wir können sie bloß nicht sehen.‹«
»Ich habe schon verstanden, Geof, ich gehe zurück nach
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