Das Matarese-Mosaik
dem Fall kann ich nur sagen: Los geht’s, junger Mann.«
Der Bentley verlangsamte seine Fahrt an einer Straße in High Holborn und hielt schließlich an einem Parkplatz in der Nähe des Apartmentgebäudes, das Roger Coleman gezeigt hatte. »Ich erinnere mich, daß er den obersten Klingelknopf links gedrückt hat«, sagte er, als die beiden ausstiegen.
Sie gingen die Treppe hinauf, traten in ein Foyer unter einem Glasdach und standen dann vor der Tafel mit den Klingelknöpfen. Roger drückte den obersten Knopf in der linken Reihe. Keine Reaktion. Er drückte ihn noch zweimal, aber es geschah nichts.
»Hier«, sagte Coleman, der inzwischen die Namen auf den einzelnen Schildern studiert hatte, »jetzt probieren wir etwas anderes«, und drückte den Knopf, neben dem »Verwaltung« stand.
»Ja?« meldete sich eine mürrische Stimme an der Sprechanlage.
»Sir Geoffrey Waters, Sir, militärischer Nachrichtendienst der Krone. Wir haben es schrecklich eilig, aber wenn Sie im MI5 nachfragen, werden Sie feststellen, daß ich derjenige bin, der ich zu sein behaupte.« Coleman strahlte absolute Autorität aus. »Wir müssen sofort mit Ihnen sprechen.«
»Du großer Gott, natürlich!« rief der sichtlich verängstigte Hausverwalter. »Kommen Sie herein«, fuhr er dann fort und betätigte den Summer, »ich erwarte Sie im Flur. Meine Wohnung ist im Erdgeschoß.«
Der ehemalige Sergeant Major ließ vor den Augen des verblüfften Hausverwalters kurz einen alten Ausweis der Royal Fusiliers aufblitzen und sagte – wieder mit großer Autorität: »Wohnung acht a, es meldet sich niemand. Ist die Mieterin, Symond, nicht da?«
»Schon seit Tagen, Euer … Sir.«
»Wir müssen die Wohnung überprüfen, das ist äußerst dringend.«
»Ja, sicher – natürlich!« Der recht schäbig gekleidete Hausverwalter führte sie zu einem Fahrstuhl am Ende des Flurs. »Hier ist ein Hauptschlüssel«, sagte er. »Sie können selbst aufschließen.«
»Ich danke im Namen der Krone.« Coleman nahm den Schlüssel mit einem knappen Nicken entgegen.
Die Symond-Wohnung war ein hübsches, gut eingerichtetes Apartment mit teuren Möbeln und wertvoller Dekoration. Roger und Coleman begannen mit ihrer Suche. Es gab drei Zimmer, zwei Bäder und eine Küche. Ein Schlafzimmer, das Wohnzimmer und eine Art Bibliothek oder Arbeitszimmer, dessen Regale nur wenig Bücher enthielten, während der Schreibtisch mit Papieren übersät war. Coleman fing mit den Papieren an, einem Sammelsurium von Rechnungen, Zeitschriften, kurzen Hinweisen auf getroffene Verabredungen – immer nur mit Initialen anstatt Namen – und zahlreichen persönlichen Briefen, von denen viele vom Kontinent stammten. Die Poststempel lasen sich wie eine Liste der attraktivsten Orte Europas: Paris, Nizza,
Rom, Baden-Baden, Comer See – die gepflegtesten Einkaufszentren Europas.
Die Briefe enthielten belanglosen Klatsch, Grüße und häufig den Wunsch, sich einmal wieder zu treffen, waren, mit einem Wort, banal. Coleman würde natürlich alles Sir Geoffrey übergeben; das war seine Pflicht. Aber die Frau mit dem Namen Symond würde ein Rätsel bleiben, wenn man sie nicht finden konnte.
»Coley!« rief Roger Brewster aus einem anderen Zimmer. »Kommen Sie, sehen Sie sich das an!«
»Wo bist du denn, Junge?«
»In der Küche.«
Coleman lief aus dem Arbeitszimmer, sah sich im Wohnzimmer um und eilte dann in die weißgekachelte Küche. »Was ist denn, Roger?«
»Da«, sagte der junge Brewster, der vor einem an der Wand befestigten Telefon stand, neben dem ein Notizblock mit einem Kugelschreiber an einer Messingkette hing. »Da, sehen Sie das? In dem Block sind ein paar Eindrücke, die hat jemand gemacht, der wütend war, ich meine, wirklich sauer. So wütend, daß er – es kann natürlich auch eine sie gewesen sein – auf den Block eingestochen hat.«
»Was? Ich sehe nur Teile von zwei Buchstaben und drei Nummern. Der Rest sind nur Eindrücke.«
»Weil diese Art Kugelschreiber seitlich nicht gut schreibt, Sie wissen schon, in der Vertikalen. Wir haben auch so einen in unserem Wohnheim – die meiste Zeit nehmen wir statt dessen Bleistifte, aber die halten nicht so lange…«
»Worauf willst du hinaus, Junge?«
»Also, wenn wir es eilig haben, sagen wir, ein Mädchen gibt uns ihre Telefonnummer an, dann drücken wir einfach nur kräftig auf und schreiben es dann später ab.«
»Ja, das mache ich auch so«, sagte Coleman und riß das Blatt ab, »und was du da sagst, leuchtet auch ein.
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