Das Matarese-Mosaik
kurze Treppe hinunter, bis er hinter dem gepanzerten Wagen auf dem Bürgersteig lag. Das brachte dem SIS-Offizier eine zerschmetterte linke Schulter ein. Er hob den rechten Arm und gab mehrere Schüsse aus seiner Waffe auf die Limousine ab, die bereits an der nächsten Ecke angelangt war. Doch es nützte nichts; er hatte versucht, sich auf den linken Arm zu stützen, aber die verletzte Schulter trug sein Gewicht nicht. Er brach zusammen und begrub Geoffrey Waters teilweise unter sich.
Auf den Lärm hin kamen einige bewaffnete Leute aus der Tür gerannt. Ein Beamter in mittleren Jahren warf einen Blick auf den Schauplatz des Blutbads und erteilte dann ruhig seine Anweisungen: »Die Polizei rufen, eine Ambulanz bestellen – höchste Priorität – und Scotland Yard verständigen.«
Geoffrey Waters erhob sich langsam mit Hilfe eines anderen Beamten. Er zitterte am ganzen Körper und war außer Atem. »Tote?« fragte er, ohne jemanden anzusehen.
»Zwei SIS-Männer tot, Leiter der Einheit schwer verletzt; wir legen ihm eine Adernpresse an«, sagte der Offizier, der die Befehle erteilt hatte.
»Diese Schweine!« sagte Waters leise mit wutverzerrter Miene, zog sein Handy heraus und wählte die Nummer des Hotels, in dem Pryce und Leslie untergebracht waren. »Zimmer 600.«
»Hallo«, meldete sich die Stimme von Cameron Pryce.
»Man hat vor wenigen Minuten versucht, Paravacinis Todesurteil zu vollstrecken. Der Preis waren zwei Tote und ein Schwerverwundeter.«
»Großer Gott!« rief Pryce. »Und Sie, sind Sie wohlauf?«
»Ein paar blaue Flecken und einige Kratzer im Gesicht vom Bürgersteig. Ansonsten beweglich und ungeheuer wütend.«
»Das kann ich verstehen. Können wir etwas tun? Sollen wir rüberkommen?«
»Unter keinen Umständen!« widersprach Waters. »Die Matarese haben bestimmt Späher in der Umgebung, um zu melden, welchen Schaden sie angerichtet haben, und niemand weiß, daß Sie hier in London sind. Bleiben Sie, wo Sie sind!«
»Verstanden. Was werden Sie jetzt machen?«
»Zuerst einmal wieder einen klaren Kopf bekommen. Und dann werde ich mir – weil die Killer in einer schwarzen Limousine hier aufgetaucht sind, einer Limousine ohne hinteres Nummernschild – jeden Limousinenverleih in London und Umgebung vorknöpfen.«
»Das wäre ein Anfang, Geof. Aber wahrscheinlich war der Wagen gestohlen.«
»Wir werden natürlich die entsprechenden Unterlagen hinzuziehen. Aber Sie bleiben, wo Sie sind – inkognito und nur für mich und Brandon erreichbar.«
»Wie läuft es bei Scofield?«
»Gut, wir informieren Sie später. Augenblicklich ist er bemüht, im Savoy den Rekord für Rechnungen des Zimmerservice aufzustellen, den bis jetzt ein Araberscheich mit seinem Harem gehalten hat.«
»Auf Bray kann man sich immer verlassen. Der Mann ist vielseitig.«
Das kleine Hotel im »Jagdparadies« von New Jersey lag ideal zwischen einem Golfplatz eine halbe Meile weiter vorn an der Straße und Reitställen eine halbe Meile dahinter auf der linken Straßenseite. Die Mitgliedschaft in beiden Clubs reichte meist über ein paar Generationen zurück, und neue Bewerber mußten sich gefallen lassen, daß man ihren Stammbaum gründlich unter die Lupe nahm. Nur wenige hielten dieser strengen Prüfung stand, und natürliche Abgänge unter den Clubmitgliedern wurden in der Regel aus den Reihen der Söhne und Töchter von Mitgliedern aufgefüllt, wie es für angemessen gehalten wurde. Das Hotel selbst mit seiner weißen Schindelfassade war von rustikaler Eleganz und hätte eher nach New England als nach New Jersey gepaßt. Zwei mächtige Säulen flankierten das Eingangsportal mit seiner breiten Veranda unter dem vorgezogenen Dach, und über der Tür prangte der übliche Messingadler mit gespreizten Schwingen. Drinnen standen reichlich dunkel gebeiztes Holzmobiliar und auf Hochglanz polierte Messinglampen herum, und das ganze Hotel mit seiner dick mit Teppichen ausgelegten Halle und dem eher bescheiden wirkenden Empfangspult strahlte eine Aura geordneter Behaglichkeit aus. Seine Gäste paßten sich im wesentlichen der Umgebung an: Sie waren ausschließlich von weißer Hautfarbe, teuer gekleidet, in mittleren Jahren oder älter und strahlten Autorität aus.
Im Mitarbeiterstab des Hotels gab es einen Neuzugang, den die Direktion überhaupt nicht schätzte. Aber da das Ersuchen vom Federal Bureau of Investigation gekommen war, kam es einem Befehl gleich und bewirkte, daß am Tag vor dem Eintreffen der vier Matarese in der
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