Das Matarese-Mosaik
hier nicht weggehen, ehe Sie mir zugehört haben. Die Tür ist abgeschlossen. Der Sohn des Hirtenjungen steigt häufig hier ab und hat viele Freunde.«
»Was soll diese Scheiße? Wer sind Sie?«
»Mr. Guiderone behauptet, daß Fluchen auf einen geringen Wortschatz schließen läßt.«
»Blödsinn! Ich meine das ernst. Ich mache, daß ich hier wegkomme.«
»Das würde ich an Ihrer Stelle nicht versuchen.«
»Was?«
»Ich sagte doch, die Tür ist abgeschlossen. Sie können mir ebensogut zuhören.«
»Warum?«
»Hören Sie mir einfach zu. Sagen wir, ich spreche rein hypothetisch.«
»›Hypothetisch‹ paßt mir nicht. Ich bin ein Mann klarer Worte!«
»Schön, dann eben klare Worte. Amsterdam, speziell die Keizersgracht, hat erfahren, daß Sie ein enger Freund Benjamin Wahlburgs sind…«
»Ich kenne ihn, sonst nichts. Im allgemeinen mag ich Juden nicht, aber er ist besser als die meisten.«
»Das ist sehr großzügig von Ihnen, aber Sie sollten wissen, daß man in der Keizersgracht der Meinung ist – und dafür auch Beweise besitzt -, daß die Federal Trade Commission in Washington ihn gekauft hat. Er benutzt Sie, um selbst sauber dazustehen, falls unser Vorhaben irgendwie scheitern sollte – was nicht geschehen wird. Alles läuft nach Plan, nichts kann uns aufhalten.«
»Herrgott, das will ich doch hoffen! Ich habe Milliarden darauf gesetzt.«
»Halten Sie sich von Wahlburg fern. Er ist der Feind. … Und jetzt mache ich, daß ich hier wegkomme. Ich habe die Nachricht übermittelt. Der Rest liegt bei Ihnen.« Mit diesen Worten stemmte Pryce sich aus dem Schwimmbecken. Er ging zur Tür, klopfte zweimal und hörte das Klicken im Schloß. Er sah sich nach Jamieson Fowler um. Der Mann starrte ihm mit schreckgeweiteten Augen nach. Er hing reglos am Beckenrand, als ob der Blitz ihn getroffen hätte.
Benjamin Wahlburg war ein komplizierter Mann. In jungen Jahren war er überzeugter Sozialist gewesen, dem Kommunismus zuneigend. Der Kapitalismus mit seinen Konjunkturzyklen, der die Armen und die untere Mittelklasse unterdrückte,
war ihm zutiefst verhaßt. Das änderte sich erst, als er die Bekanntschaft eines Soziologieprofessors der University of Michigan machte, der selbst ein ehemaliger Sozialist war. Der Mann hatte sich ideologisch um hundertachtzig Grad gedreht. Das Problem war nicht der Kapitalismus an sich, sondern die Kapitalisten. Sie hatten keinen Sinn für soziale Verantwortung. Die Lösung konnte nur darin bestehen, die Perspektive dieser Leute zu verändern.
Als Talmudkenner fand Wahlburg gewisse Ähnlichkeiten zwischen diesem Konzept und der hebräischen Philosophie, die von den Wohlhabenden fordert, sich um die schlechter gestellten Angehörigen des Stammes zu kümmern. Und damit entwickelte sich in ihm der Kern einer Idee; der seiner Orientierung unsichere Sozialist traf eine Entscheidung. Er würde zum ultimativen Kapitalisten werden. Da er über einen erstklassigen Verstand und Sinn für finanzielle Dinge verfügte, trat er in eine Bank mittlerer Größe in Philadelphia ein und verfaßte dort eine Denkschrift, die sich mit den Zielsetzungen des Unternehmens in den verwirrenden fünfziger Jahren befaßte. Das führte dazu, daß er nach zwei Jahren zum Vizepräsidenten ernannt und nach weiteren vier Präsident und geschäftsführender Teilhaber der Bank wurde. Indem er die Aktiva der Bank überbewertete, kaufte er andere Banken in Pennsylvania und später auch solche in benachbarten Staaten auf. Dann kamen andere Banken in Ohio und Utah, kurz darauf in Nevada und schließlich in Kalifornien dazu. Die Zeit war dafür reif, wie er prophezeit hatte; viele Banken befanden sich in Schwierigkeiten. Es kam nur darauf an, zum richtigen Zeitpunkt einzukaufen und dann, wenn die Börse wieder anzog, teuer zu verkaufen. Ehe Benjamin Wahlburg, der ehemalige radikale Sozialist, fünfzig geworden war, stellte er einen entscheidenden Faktor im amerikanischen Bankwesen dar.
Er war reif für die Matarese, reif für den Prospekt einer globalen Wirtschaftsordnung, die die unteren Klassen schützte. Ja, er begriff durchaus, daß es vielleicht zu Gewalttätigkeiten kommen würde, aber schließlich war das Alte Testament angefüllt mit Feuer, Schwefel und Rache. Das war der Lauf der
Welt. Nur so konnte sie sich weiterentwickeln. Es war ein trauriger Kommentar, aber zugleich ein alter Hut.
Benjamin Wahlburg war ein monumentaler Trottel.
Aber er hielt sich immer wieder vor Augen, daß das Endziel eine weit
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