Das Matarese-Mosaik
Reichtums so kompliziert zu verfolgen?« fragte Pryce.
Wieder lachte der pensionierte CIA-Mann leise, mehr für sich selbst. »Wie viele Millionäre kennen Sie denn, die Sie freiwillig in ihr Portefeuille blicken lassen, zumal wenn es irgendwelche fragwürdigen Aspekte bei der Herkunft ihres Vermögens gibt?«
»So viele Millionäre kenne ich nicht, jedenfalls nicht persönlich.«
»Jetzt kennen Sie mich.«
»Sind Sie…«
»Genug, kein weiteres Wort mehr zu dem Thema. Verstehen Sie, was ich meine?«
»Das würde ich lieber nicht. Aber in Anbetracht Ihrer Dienstakte würde ich das als Trennungsprämie bezeichnen … Wo fangen wir an? Wo fange ich an?«
»Sie haben es selbst gesagt, die Geldspur«, erwiderte Scofield. »Frank Shields ist gut, aber er ist Analytiker. Er zählt Erbsen, arbeitet mit Papier, mit Computerausdrucken von Kurven und Tabellen, die von verantwortungsbewußten und nicht so verantwortungsbewußten und meist nicht auffindbaren
Leuten verfaßt worden sind. Sie müssen sich mit Menschen auseinandersetzen, nicht mit elektronischen Aufzeichnungen.«
»Das habe ich früher schon getan«, sagte Pryce, »und ich halte auch sehr viel von dieser Methode. Die neue Technik kann Grenzen überschreiten, kann beobachten und lauschen. Aber sie kann nicht mit den Männern und Frauen sprechen, die wir zur Rede stellen müssen. Dafür gibt es keinen Ersatz. Aber was diese Geldspur betrifft – wo soll ich anfangen?«
»Nun«, sagte Scofield nachdenklich, »ich würde sagen, da Sie die Mörder nicht finden können, beginnen wir mit den Opfern selbst, ihren Familien, ihren Anwälten, ihren Bankiers, vielleicht sogar ihren engen Freunden und Nachbarn. Jeder, der möglicherweise etwas über ihre Einstellung weiß, oder was sie vielleicht über sich selbst gesagt haben. Das ist verdammt langweilig – aber es gehört zu Ihrem Job, und es kann durchaus sein, daß Sie in diesem Labyrinth eine weitere Tür finden, die Sie öffnen können.«
»Warum sollten diese Leute mit mir reden?«
»Aber das ist doch einfach, zum Teufel. Die Firma hat Verbindungen, Frank hat Verbindungen. Die werden Ihnen die erforderlichen Papiere beschaffen, dann sind Sie legitimiert. Sie gehören zu den Guten; Sie versuchen herauszufinden, wer ihre Angehörigen getötet hat, und die Nachrichtendienste haben Ihnen freie Bahn verschafft.«
»So einfach kann es doch nicht sein…«
»Einfachheit ist die Muttermilch der Penetration, mein junger Freund. Tut mir leid, Sie daran erinnern zu müssen.«
»Ich verstehe und verstehe doch nicht.«
»Dann denken Sie noch ein wenig darüber nach.«
Plötzlich kam Antonia Scofield aus dem Haus gerannt. »Bray«, rief sie, »ich war auf der Veranda vorn, um die Lichter auszumachen, und da habe ich Feuer am Horizont gesehen, Explosionen, glaube ich.«
»Lösch die Kerzen!« befahl Scofield. »Sie, Pryce, Sie kommen mit!« Wie Infanteristen im Dschungel rannten die beiden Männer, Beowulf Agate an der Spitze, auf dem kaum wahrnehmbaren
Weg durch das Laubwerk. Pryce war so geistesgegenwärtig gewesen, sich seine Flugtasche zu schnappen, als er sah, wie Scofield beim Verlassen des Hauses einen würfelförmigen, lederbezogenen Gegenstand an sich nahm. Jetzt hatten sie die Büsche und Sträucher hinter sich gebracht und den Strand erreicht, wo die Fotozellen auf die Strahlen der Karibiksonne warteten.
»Runter!« sagte der Ältere, öffnete das Lederetui und holte ein klobiges Infrarotglas heraus. Pryce zog den Reißverschluß seiner Tasche auf und tat es ihm gleich. Beide suchten den Horizont ab. Weit draußen im Wasser war ein schimmerndes Leuchten zu erkennen, begleitet von unregelmäßigen Lichtblitzen. »Was halten Sie davon?« fragte Scofield.
»Das werde ich Ihnen sofort sagen«, sagte Pryce und griff in die Tasche nach seinem vorprogrammierten Telefon, »aber im Augenblick habe ich starke Magenschmerzen.«
»Ein stechendes Gefühl, stimmt’s?«
»Allerdings.«
»Das kenne ich. Das ändert sich nie.«
»Du großer Gott!« stieß Pryce aus. »Da ist nichts. Niemand meldet sich!«
»Ihr Boot?«
»Der Kutter der Coast Guard. Einfach in die Luft gesprengt. Diese Jungs… es waren doch bloß Jungs! Alle tot.«
»Vielleicht kommen sie hierher…«
»Sie? Wer?«
»Die, die den Kutter versenkt haben«, sagte Scofield kühl. »Wir sind hier Teil eines winzigen Archipels, sechs oder sieben winzige Inseln, aber möglicherweise konzentrieren sie sich auf diese hier.«
»Aber wer ist das?
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