Das Matarese-Mosaik
zu machen?« fragte der Kardinal.
»Ganz sicher, Euer Eminenz. Weil Sie nämlich in erster Linie dem Kern der Matarese angehören und erst in zweiter Linie Priester sind.«
»Blasphemie«, sagte der Kardinal leise, ohne den Blick von Matareisen zu wenden.
»Realität, Priester, blanke Realität. Oder wäre Ihnen lieber, wenn die Bank des Vatikans über Ihre finanziellen Kavaliersdelikte informiert würde, etwa dieses hübsche Anwesen am Comer See? Auch wenn das natürlich nur ein Klacks ist.«
»Was soll der Unsinn – ›nicht an den höchsten Anbieter‹?« fragte der Deutsche zornig. »Halten Sie uns für Idioten?«
»Sie alle werden beträchtliche Profite machen. Vielleicht nicht in dem Maße, wie Sie erwartet haben, aber es ist notwendig.«
»Sie drehen sich im Kreis, senhor «, sagte der Mann aus Portugal.
»Aber wir sind doch ein Kreis, oder nicht? Der MatareseKreis.«
»Bitte, drücken Sie sich deutlicher aus!« drängte der Deutsche. »Was wollen Sie sagen?«
»Nun, um es ganz eindeutig zu sagen, Sie werden Anweisung erhalten, Ihre Anteile an die Interessenten zu verkaufen, die die geringste Erfahrung haben und am wenigsten dazu geeignet sind, die jeweiligen Firmen zu führen.«
»Sacre bleu!« entfuhr es dem Erben aus Paris. »Sie reden Unsinn! Weshalb sollten solche Leute interessiert sein?«
»Eitelkeit, mon ami «, erwiderte Matareisen. »Solche Leute nehmen regelmäßig den Mund zu voll und geben ihr Geld für Dinge aus, nach denen sie sich sehnen, die sie aber nicht kontrollieren können. Die Geschichte der internationalen Wirtschaft wimmelt von Beispielen dafür. Zuerst fallen einem dabei die Japaner ein: Sie wollten die Filmindustrie in Los Angeles, also haben sie bezahlt und bezahlt und bezahlt, bis die Studios sie aufgefressen haben, weil sie einfach nicht über die Kenntnisse verfügten, um sie zu führen.«
»Für mich klingt das wie Maultierscheiße!« wütete der Unternehmer aus New Orleans.
»Nein, er hat recht«, sagte der Kardinal, der die ganze Zeit den Holländer nicht aus den Augen gelassen hatte. »Das läßt den Zusammenbruch glaubhafter erscheinen. Das schwächt das System und bringt das Volk auf die Straße, das sofort anfangen wird, Lösungen zu fordern, einen Wandel.«
»Sehr gut, Priester. Sie können strategisch denken.«
»Realität, Holländer, blanke Realität. Oder sollte ich sagen, Glaubwürdigkeit?«
»Das sind austauschbare Begriffe, nicht wahr?«
»Am Ende natürlich. Die Scholastiker haben das begriffen. Und da jetzt die Saat gelegt ist, wann werden wir ernten?«
»Alles muß überall sorgfältig koordiniert werden. Ein Ereignis muß zum nächsten führen, jede Maßnahme zur nächsten, und das Ganze darf von außen betrachtet keinerlei Verbindung erkennen lassen. Die Volkswirtschaft in Amerika und Europa ist eine einzige Katastrophe, die man auch mit noch so moderner Technik nicht kurieren kann, weil bei jedem
neuen technischen Fortschritt die Zahl der vorhandenen Arbeitsplätze aufs neue schrumpft. Technologie produziert keine Arbeitsplätze. Sie vernichtet sie.«
»Theoretisch«, fragte der Engländer mit gerunzelter Stirn, »worin liegt Ihre – worin liegt unsere Lösung, falls wir eine haben, und wäre es auch nur für die Zwecke der Public Relations?«
»Eine wohltätige Konsolidierung, wobei die oberste Autorität jenen zukommt, die die Firmen wieder aufpäppeln können, nachdem sie an die Stelle jener getreten sind, die dazu nicht imstande sind. Eine Leistungsgesellschaft, die den Reichen, den Gebildeten und den Ehrgeizigen zusagen wird, und dazu ein kontrolliertes System von Vorteilen für die mit geringeren Fähigkeiten, solange sie sich bereitwillig, ja sogar begeistert dem Gefüge einordnen, das für die Wiedergesundung erforderlich ist.«
»Und was kommt danach?« fragte der Mann aus Boston. »Die Viertagewoche? In jedem Haus ein Fernseher, an dem ein Überwachungssystem angeschlossen ist?«
»Die moderne Technik hat ihre Möglichkeiten, nicht wahr? Aber solche Konzepte liegen weit in der Zukunft. Zunächst müssen wir das finanzielle Chaos mit unserem eigenen Maßnahmenkatalog überwinden.«
»Womit wir wieder bei meiner Frage wären«, unterbrach ihn der Kardinal. »Wann ernten wir?«
»In rund drei Monaten, je nach den aktualisierten Fortschrittsberichten, und die Ernte wird einige Zeit in Anspruch nemen, bis all ihre Restriktionen allgemein bekannt sind. Ich würde sagen, in hundert Tagen. Das klingt hübsch, nicht wahr?
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