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Das Matrazenhaus

Das Matrazenhaus

Titel: Das Matrazenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paulus Hochgatterer
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einem Trödler in Ljubljana gekauft, über eBay. Letzten Sommer hat er extra einen Kurs in Klavierrestauration absolviert«, sagte die Frau. Oben auf dem Piano stand in einem goldenen Rahmen das Foto eines farbigen Mannes an einem Flügel. Thelonious Monk, sagte die Frau – er sei sein Idol gewesen, einer, für den es nichts anderes gegeben habe als die Musik. Kovacs dachte, dass er selbst von manchen Dingen ein wenig verstand, von Süßwasserfischen zum Beispiel, von der Art, in der Menschen mit Verlusten umgingen, und vom Unterschied zwischen einem Roten Riesen und einem Weißen Zwerg, von anderen hingegen gar nichts, von Blütenpflanzen im Frühling zum Beispiel, von dem, was Frauen gerne anzogen, oder von Musik. »Klavier spielt man allein, oder?«, fragte er. Die Frau blickte ihn misstrauisch an. »Ihr Kollege hat Ihnen nichts erzählt?«, fragte sie, »von der Band, meine ich?«
    »Nein, das heißt, vielleicht hat er und ich habe es mir nicht gemerkt.« Manchmal lügt man und weiß nicht, warum, dachte er, man folgt einem Gefühl und kann es nicht erklären. Sie seien fünf, sagte die Frau, Gitarre, Bass, Schlagzeug, Flöte und er am Keyboard. Bei manchen Nummern habe er auch Klavier gespielt, aber das sei eher die Ausnahme gewesen. »Sie sind gut«, sagte die Frau, »er hat getextet und komponiert, sie haben vor allem eigene Nummern gespielt.« R & B, habe er gesagt, wenn man ihn nach der Art seiner Musik gefragt habe, Austro-R & B; sie selbst kenne sich da nicht so aus. Unlängst seien sie in Wien bei einer Produktionsfirma gewesen, um über ein Plattenprojekt zu sprechen. Die Sache sei zwar nicht gut gelaufen und der Mensch dort habe sie abgefertigt und nur über zu erwartenden Absatz und eine mögliche Eigenbeteiligung gesprochen, doch irgendwann werde daraus schon etwas werden, da sei sie ganz sicher. »Wie heißt sie?«, fragte Kovacs. Sie verstand nicht gleich. »Wer? Die Platte?«
    »Nein, die Band. Wie heißt die Band?«
    Die Frau überlegte, dann zog sie die Schultern hoch. Sie wisse es nicht, sagte sie, die Band habe schon viele Namen gehabt, am Anfang Furth Five , dann zum Beispiel Stille Nacht oder Grobverputz ; was momentan aktuell sei, könne sie nicht sagen. Jetzt lügt sie, dachte Kovacs, keiner weiß, warum, aber sie tut es. Weather Report fiel ihm ein, Attwenger und Manhattan Transfer, die Beatles , die Rolling Stones und Rammstein und plötzlich fragte er sich, ob Die schwarze Glocke nicht ein hervorragender Name für eine Band wäre. Er war nahe daran, nachzufragen, tat es dann aber doch nicht.
    Sie erzählte von der Familienkrise, die die Entscheidung des Sohnes, nach der fünften Klasse vom Gymnasium abzugehen und eine Maurerlehre zu beginnen, heraufbeschworen hatte, und davon, wie er für den jüngeren Bruder ein Vorbild gewesen sei, mit seiner Leidenschaft und mit seinem kritischen Verstand, den er nicht aufgegeben hatte, obwohl er Tag für Tag Ziegelmauern hochgezogen, Fundamente betoniert und Fließestriche gegossen habe. Am Ende erzählte sie noch davon, wie ihr Mann ab und zu vor dem Zimmer des Sohnes gestanden sei und gelauscht habe und wie er ihn abends im Bett erst einen Trottel genannt habe, der sich in seiner Sturheit um die Matura und um ein Universitätsstudium bringe, und dann begonnen habe, von seiner Musikalität zu schwärmen und von der Kraft seiner Liedtexte. »Krieg ich einen?«, fragte Kovacs.
    »Was?«
    »Einen Liedtext.«
    »Nein«, sagte die Frau und klappte den Klavierdeckel zu. Ob er jetzt das gehabt habe, was er zuvor auf der Treppe gemeint habe, fragte sie. Kovacs nickte. Er denke schon, sagte er. Apropos: Er wolle ihr noch sagen, dass ihr Sohn dort oben auf dem Gerüst mit Sicherheit nicht in einer Schmierölpfütze ausgerutscht sei. Auch sei weit und breit kein Stück Bauholz herumgelegen, über das man stolpern hätte können. Beides wisse er aus persönlicher Anschauung. Die Frau blickte über seine Schulter hinweg in Richtung Tür. Sie wisse auch noch etwas, sagte sie: Ihr Sohn habe sich mit Sicherheit nicht selbst umgebracht.
     
    Im Grunde konnte er Apotheken beinahe so wenig leiden wie Ärzte. Der Geruch verursachte ihm Übelkeit, und die Taktik, Krankheit und Verfall dadurch zu maskieren, dass man in erster Linie Lutschbonbons und Sonnenschutzcremes in die Regale stellte, war ihm sowieso zuwider. Die Dromedarenapotheke ertrug er einigermaßen. Das lag an den Dromedaren und an Viktoria Stich. Dromedare hatte er von Kindheit an

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