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Das Matrazenhaus

Das Matrazenhaus

Titel: Das Matrazenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paulus Hochgatterer
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im Namen, darunter viele Blumen: die Schwarze Rose, Tulpe, Lilie, den Schwarzen Adler, den Schwarzen Wolf, sogar den Schwarzen Hamster, was er absolut infantil finde, das Schwarze Fenster, den Schwarzen Turm, den Schwarzen Sonntag und nach wie vor den Schwarzen September; die Schwarze Glocke hingegen sei ihm noch nie begegnet, aber möglicherweise handle es sich auch um eine Neugründung. Die Abfolge der Hiebe, sofern sie in den Medien korrekt wiedergegeben werde, spreche seiner Ansicht nach jedenfalls gar nicht für eine Misshandlung, sondern für ein Initiationszeremoniell, eine Art Ritterschlag. »Volltrottel«, sagte Kovacs. Frau Strobl setzte ein beleidigtes Gesicht auf: »Mir kam es interessant vor.« »Ist es auch«, sagte Sabine Wieck, »auch Horn hat von einem Gelübde gesprochen.« Als Psychiater dürfe er Derartiges straflos von sich geben, sagte Kovacs und erhob sich. Er begreife das nicht, sagte er, da würden ein paar Kinder geschlagen und im Nu sei von Gelübden die Rede und von Geheimbünden, und das Ganze doch wohl nur, um davon abzulenken, wovon er vorhin gesprochen habe, nämlich dass es alle tun, Kinder schlagen nämlich. Er werde sich jetzt entfernen und versuchen, produktiv zu sein.
    Es fehle noch der zweite Punkt, sagte Christine Strobl, aber wenn es ihn nicht interessiere, könne er ruhig gehen und sie werde gemeinsam mit den anderen Damen etwas nicht Produktives tun, zum Beispiel ihre prämenstruellen Syndrome synchronisieren. »O Gott«, seufzte Kovacs und hob kapitulierend die Hände. »Wie bitte?«, fragte Sabine Wieck. »Ich erkläre es euch später«, sagte die Sekretärin. Zweitens habe also Eva Weinfurter, Sozialarbeiterin am städtischen Jugendamt, knapp nach sieben Uhr auf dem Band den vorsichtigen Hinweis hinterlassen, es könne die ermittelnde Behörde vielleicht interessieren, was das Jugendamt zum Thema Gewalt an Kindern zu erzählen habe. Sollte es tatsächlich so sein, ersuche sie um einen Rückruf. Kovacs ließ sich in seinen Sessel fallen. »Und?«, fragte er. »Was heißt und?«, fragte Sabine Wieck.
    »Ich tu es schon«, sagte Eleonore Bitterle und wandte sich an Christine Strobl, »gib mir bitte die Nummer.« Die Sekretärin rollte die Augen und reichte ihr den Zettel. »Warum schon wieder du?«, zischte sie. »Ich liebe Listen«, sagte Bitterle laut. Sie habe die Vision einer Jugendamtsliste, die ebenfalls gut hundert mögliche Täter umfasse. Wenn man von einer gewissen Kongruenz ausgehe, bedeute das bei Abgleich der beiden Listen in Summe vielleicht hundertfünfzig Verdächtige. »Wann kommt Demski?«, fragte Kovacs. »Nie, wenn du ihn nicht zurückholst«, sagte Sabine Wieck.
    »Was tut Mauritz momentan? Und wo ist Lipp?«
    Mir fehlt das Durchsetzungsvermögen, dachte Kovacs, anstatt augenblicklich Demski aus Berlin zurückzubeordern, überlege ich Provisorien. Andererseits war Demski in frustriertem Zustand lediglich eine Belastung, das wussten alle.
    »Lipp fährt nach wie vor Streife. Den kriegen wir wahrscheinlich, wenn du Eyltz schön bittest. Aber was sollen wir mit Mauritz tun?« Sabine Wieck deutete die Körperfülle des Kollegen an. »Egal. Gebt ihm einen Teil der Liste. Er soll seinen Chemiebaukasten zu Hause lassen und mit Menschen reden«, sagte Kovacs, »lasst ihn jedenfalls nicht auf Gerüste klettern.«
    Apropos Klettern auf Gerüste: Christine Strobl wies auf Ludwig Kovacs’ rechten Unterarm. Was da von seinem Verband sichtbar sei, wirke leicht vergammelt, wenn sie sich diese Bemerkung erlauben dürfe.
     
    Kovacs musste eine Weile überlegen, wo er am Vortag den Vectra abgestellt hatte. Ich werde alt, dachte er, meine Toleranz lässt nach, bei den Kolleginnen gelte ich als Frauenfeind, ich finde, Kinder werden zu wichtig genommen, und am Ende habe ich vergessen, wo ich das Auto geparkt habe. Außerdem ist das ein versiffter, nach Zigaretten stinkender Schrotthaufen und kein Dienstwagen, dachte er und knallte die Tür zu. Er fuhr die Seestraße in Richtung Zentrum, bog nach links in die Severinstraße ein, überquerte den Fluss und nahm im Kreisverkehr die Ausfahrt nach Westen. Nach der Tankstelle stieg die Strecke ein Stück an, so dass man sich plötzlich auf einer Höhe mit den Wipfeln der Pappeln sah, die hinter der biologischen Beobachtungsstation aufragten. Der Himmel war voller winziger Wolken. Sie schienen stillzustehen und auf ein Kommando zu warten. Das beruhigte ihn. Ein Graureiher zog einen abfallenden Bogen in Richtung See.
    Genau

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