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Das Matrazenhaus

Das Matrazenhaus

Titel: Das Matrazenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paulus Hochgatterer
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gemocht, ihre asketische Lebenshaltung, den Stolz, mit dem sie ihren Kopf trugen, die Beine, die so endlos lang waren und trotzdem breit im Auftritt, und den Passschritt, in dem sie, wenn sie wollten, in der Wüste ein Auto überholten. Viktoria Stich mochte er auch. Die junge Frau Magister war klein, launisch, ein Homöopathiefreak und erzählte Polizistenwitze, sobald jemand der Truppe ihr Lokal betrat. »Nein«, sagte Kovacs, als er ihr Grinsen sah, »heute keine Witze und keine Globuli. Ich bin verwundet, und mein Verband ist verwahrlost. Sagen zumindest die Damen in meinem Büro.« Er schlüpfte aus der Jacke. »Stimmt«, sagte die Apothekerin, »wollen Sie nur das Material kaufen oder machen wir es gleich hier?« Kovacs war kurz irritiert, dann blickte er sich um. Außer der Apothekenhelferin, die einen Rezeptstapel abarbeitete und auf der Ablage vor dem riesigen Ladenschrank Medikamentenpackungen ordnete, war niemand im Raum. Andere haben Affären, dachte Kovacs, ich habe Frauen, die mich verbinden. Er schob den Ärmel seines Hemdes hoch. Die Apothekerin schnitt die Mullbinde auf und hob den Verband en bloc ab. »Tut es weh?«, fragte sie. Kovacs schüttelte den Kopf. Die Baumwolltücher hatten Szarahs Geheimpaste und, was an Wundsekret nachgesickert war, vollständig aufgenommen und boten ein abenteuerlich buntes Bild. Darunter lag die Kluft in Kovacs’ Unterarm, glatt und trocken, mit einem dünnen Krustenbelag. »Was haben Sie denn da draufgetan?«, fragte die Apothekerin, legte die Stirn in Falten und beförderte den alten Verband mit einer Plastikpinzette in den Mist. »Eine marokkanische Gewürzmischung«, sagte Kovacs, »Chili, Kreuzkümmel, Koriander.«
    »So sieht’s auch aus.«
    »Aber es hat gewirkt.«
    Ja, sagte sie, offensichtlich. Sie habe aber, ehrlich gesagt, den Verdacht, dass er insgeheim das Aconitum C 200 eingenommen habe, das sie ihm seinerzeit gegen seine Magenkrämpfe gegeben habe. »Magenkrämpfe?«, fragte er.
    »Herr Kommissar!«
    »Okay, Magenkrämpfe. Vor vielen Jahren.«
    Während die Apothekerin ein aluminiumbeschichtetes Wundkissen auflegte, betrat ein schlanker, grauhaariger Mann die Apotheke. Sie grüßte ihn mit einer Handbewegung. Er blieb im Hintergrund stehen. »Wie geht es ihr?«, fragte sie. »Na ja«, sagte der Mann und schwenkte ein Rezept, »sie kriegt ein neues Neuroleptikum. Außerdem schläft sie wieder einmal nichts.« Die Apothekerin wickelte die Wundauflage mit einer selbstklebenden Mullbinde fest. Wie es überhaupt zu dieser Verletzung gekommen sei, fragte sie. Kovacs merkte, dass ihn etwas anspannte. »Sie erzählen heute bitte keine Witze und ich muss keine Geschichten erzählen«, antworte er, bezahlte und ging.
    Draußen atmete er tief durch. Es ist seltsam, dachte er, ich glaube mit meiner eigenen Schlaflosigkeit gut zurechtzukommen, und wenn jemand anderer von Schlafstörungen spricht, ist es, als stünde ich vor einem Abgrund. Abgesehen davon hatte er plötzlich das Gefühl, Szarah betrogen zu haben, und zugleich eine unbändige Lust auf Sex mit Marlene.
    An der Tür zum Shop hing ein Zettel: Wegen Haushaltsauflösung heute geschlossen. Kovacs griff zum Telefon. »Wen löst du auf?«, fragte er. »Eine Architektin, die zu ihrem Ehemann nach Finnland zieht«, antwortete Marlene. »Finnland, o Gott«, sagte Kovacs, »Finsternis, Trunksucht und Selbstmord. Und die Sauna rettet nur die wenigsten.«
    »Mitternachtssonne, tausend Kilometer im Kanu und jede Menge Elchkälber«, sagte sie, »was willst du?«
    »Rein in dich, wenn ich ehrlich bin.«
    »Das hab ich mir gedacht.«
    »Warum fragst du dann?«
    »Weil ich es hören wollte.«
    Im Grunde könne sie der Idee einer sexuellen Begegnung schon etwas abgewinnen, sagte Marlene Hanke, aber da seien noch mehr als hundert Kleidungsstücke und allerhand Krimskrams; er müsse sich daher ein wenig gedulden. Hundert schwarze Rollkragenpullover, sagte Kovacs, die seien doch rasch abgewickelt, und sie antwortete, bei den Frauen unter den Architekten sei das doch ein wenig vielfältiger. Sie werde noch gut eine Stunde brauchen, dann könnten sie sich bei ihm in der Wohnung treffen. »Ich komme und helfe dir beim Kleidersortieren«, versuchte Kovacs es noch einmal. Das werde der Frau Architektin nicht gefallen, sagte sie. »Gewonnen«, sagte er, »und was tu ich jetzt eine Stunde lang?« »Geh zu Lefti oder koch dir etwas«, sagte sie und schickte ihm einen Kuss durchs Telefon. »Bestie«, sagte er und legte

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