Das Maya-Ritual
Gelände.« Er gab einen Schuss in Richtung der Hütte ab.
Die beiden Arbeiter, die im Sand hockten, hatten panische Angst; sie wussten, dass sie in der Schusslinie saßen. Sanchez scheuchte sie den Strand entlang, fort von O’Kelly, sodass sie keine Hilfe für ihn waren. »Haut ab. Wir holen euch später. Wen ich vorher sehe, der ist ein toter Mann.«
Ein Kugelhagel peitschte das Wasser, als wir hineinwateten.
»Er ist mit Sicherheit irgendwo bei der Hütte«, sagte Sanchez und hielt sich am Schlauchboot fest. Er stand beinahe schon hüfttief im Wasser.
»Vielleicht auf ihr«, sagte ich.
»Alfredo, haben Sie noch Leuchtraketen von der Yacht mitgenommen?«, fragte Sanchez.
Alfredo schüttelte den Kopf. »Das waren alle, die ich gefunden habe.«
»Im Bootskasten sind noch welche«, sagte ich. »Geben Sie mir Deckung.«
Ich zog mich aus dem Wasser und rollte über die Schlauchwand ins Boot, während Sanchez erneut auf die Hütte feuerte. Dann öffnete ich den Kasten und nahm die Schachtel mit den zwölf Raketen und dem Raketenwerfer, der wie eine Spielzeugpistole aus orangefarbenem Plastik aussah.
Als ich versuchte, wieder ins Wasser zu gelangen, ging ein Kugelhagel auf den Zodiac nieder.
»Ich glaube, ich sitze hier fest.«
»Wir machen Folgendes«, sagte Sanchez. »Ich sprinte zu den Bäumen hinüber. Sobald ich losrenne, feuern Sie eine Leuchtrakete direkt in die Hütte. Müsste einen mächtigen Knall geben. Vielleicht betäubt es ihn sogar.«
»Okay, lassen Sie mich nur erst den Werfer laden.« Ich schob die Patrone ein und dachte an die strengen Ermahnungen hinsichtlich der Sicherheitsvorkehrungen an Bord beim Abfeuern von Notsignalen. Wobei mich immer am meisten die Tatsache beunruhigt hatte, dass das Magnesium bei einer Temperatur von zwölfhundert Grad Celsius verbrannte. »Fertig.«
Sanchez watete um die abgewandte Seite des Bootes herum und wartete auf mein Signal.
»Los!« Ich hob den Kopf, zielte und drückte ab.
Sanchez rannte im Zickzack zu den Bäumen hinüber, während das rote Signalfeuer auf den Unterstand zuraste und funkenstiebend in ihn einschlug.
Ich hörte das Knattern von O’Kellys AK 47 und sah Sanchez etwa zehn Meter von der Hütte entfernt ins Unterholz hechten.
Ich duckte mich wieder und lud nach. Als ich den Kopf hob, sah ich Rauchschwaden rings um die Hütte ziehen, ehe eine Brise vom Meer sie vertrieb.
Eine merkwürdige Stille hatte sich herabgesenkt. Man hörte nur das leise Flüstern der Brandung am Strand. Ich sah Kopf und Schultern von Sanchez aus dem Unterholz ragen.
»Senorita…« Alfredo kam ums Heck des Bootes. »Ich kann ihn sehen… Ich glaube, er ist tot.«
Der Rauch hatte sich aufgelöst. Dermot O’Kelly lag zusammengesunken über den Amhaxbehältern.
Alfredo und ich gingen den Strand hinauf, während sich Sanchez vorsichtig der Hütte näherte, die Waffe auf die hingestreckte Gestalt gerichtet.
Dann erkannte ich die Gefahr.
»Sanchez, gehen Sie nicht da rein!«, rief ich.
Die Leuchtrakete hatte einen der Behälter aufgerissen, und sein Inhalt ergoss sich aus einem schwarzrandigen Loch, das sich ins Plastik gebrannt hatte. O’Kelly, der dahinter Schutz gesucht hatte, war von den giftigen Dämpfen übermannt worden.
»Was?« Sanchez sah mich verwirrt an, als ich auf ihn zulief.
»Da drinnen ist Amhax ausgelaufen… Wir können es nicht riskieren, hineinzugehen.«
Von hinten ertönte ein Warnruf Alfredos. O’Kelly bewegte sich, er hob die Waffe. Sanchez reagierte sofort.
O’Kelly rutschte an den Behältern herab; die Kugeln, die sein Leben beendet hatten, hatten auch die Behälter durchschlagen, und die Flüssigkeit, die sich aus den Einschusslöchern ergoss, wusch jetzt die Blutspur des Toten vom Plastik.
66
Von Deirdre war noch immer nichts zu sehen. Vor mehr als einer halben Stunde war sie in die Blaue Höhle getaucht, und gerade hatte ich zehn Meter tiefer etwas auf dem Boden der großen Kammer entdeckt, in die Alfredo und ich geschwommen waren.
Wir hatten eine Führungsleine abgerollt, während wir der ursprünglichen Route unter der Insel hindurch zum Wasserloch gefolgt waren, soweit wir sie in Erinnerung hatten. Etwa auf halbem Weg, in einer Höhle, in der sich mehrere Durchgänge auf verschiedenen Höhenebenen schnitten, schaltete ich meine Taucherlampe aus und bedeutete Alfredo per Handzeichen, das Gleiche zu tun.
Nun hätte eigentlich totale Finsternis herrschen müssen, doch aus dem Schlick unterhalb von uns drang ein schwaches
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