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Das Maya-Ritual

Das Maya-Ritual

Titel: Das Maya-Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Dunne
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die Spüle und goss noch mehr Wasser ein. Dann stellte ich das Glas weg, setzte die Flasche an den Mund und trank gierig. Ich versuchte, klar im Kopf zu werden, indem ich einige Male tief Luft holte.
    Der vorangegangene Abend erschien mir wie eine Halluzination, wie ein schlechter Trip, hervorgerufen durch eine mexikanische Kaktusdroge, vor allem der Teil, bevor wir zu trinken angefangen hatten: ein junger Mann, der im Nebel herumspringt, um mir den Tod meines Freundes und Mentors anzuzeigen; eine Medizinerin, die mir sein Ableben mit all dem Bedauern beschreibt, das sie beim Hinscheiden eines Goldfisches empfinden mochte; eine unbekannte Anwaltskanzlei, die sich seines Leichnams binnen Stunden entledigt.
    Und dann das schwarze Loch eines Saufabends, von dem nur einzelne entstellte Bilder den Weg in meine Erinnerung fanden: Alfredo beim Tanzen mit Deirdre, den Kopf auf ihrer Brust… sie und ich, wie wir eine tränenreiche Version von Fernando singen… ich selbst, wie ich mit dem Kopf auf dem Tisch einschlafe. Ich versuchte, es mit einem Achselzucken abzutun. Es gab wichtigere Dinge, wichtigere Fragen.
    Ich ging nach unten in den Laden und machte Licht. Auf der Theke neben dem Telefon lagen ein Notizblock und einige Blatt Papier. Auf einer herausgerissenen Seite des Notizblocks sah ich den Namen und die Nummer der Klinik in Alfredos Handschrift, und auf dem Block selbst fand sich in meiner eigenen Schrift eine ziemlich zittrige Übertragung dessen, was mir Dr. Flores erzählt hatte. Jetzt erst nahm ich den Namen des Anwalts wahr - Jörge Marrufo. Wer war der Mann? Ken hatte mit einem Minimum an Papierkram alles so geregelt, dass ich den Laden führen konnte, und dabei war kein Anwalt eingeschaltet gewesen.
    Auf einem extra Blatt sah ich Deirdres Notizen von ihrem Gespräch mit Marrufo. Das Papier stammte nicht aus dem Notizblock. Es musste von ihrem eigenen Spiralblock sein. Ich sah einen Namen, bei dem es sich wahrscheinlich um den Bestattungsunternehmer handelte, der die Verbrennung besorgt hatte, sowie einige andere Wörter und kurze Sätze. Am oberen Rand der Seite standen ein Name und eine Nummer, die erkennbar nichts mit Deirdres Telefongespräch zu tun hatten - der Name ihres Bruders Dermot, gefolgt von einer Handynummer, wie es schien, und einem Gekritzel, das um das Wort crabfish kreiste. Offenbar hatte sie die Notiz neben dem Telefon liegen lassen, nachdem sie Dermot irgendwann während ihres Aufenthalts angerufen hatte.
    Ich hörte Schritte auf der Treppe und drehte mich um.
    »Was ist denn los? Alles in Ordnung mit dir?«, fragte Deirdre, die im Eingang zum Laden stand.
    »Soweit man nach dem Besäufnis von gestern Abend eben in Ordnung sein kann.«
    »Uuhh«, stöhnte sie. »Ich brauche Wasser, sofort.« Sie ging zum Wasserspender im Laden. »Leer, verflucht. Genau wie der oben.«
    »Ricardo scheint diese Woche nicht gekommen zu sein.«
    »Das ist der Wassertyp, oder? Ich hab dir doch gesagt, er hat eine Nachricht hinterlassen. An dem Tag, als du in Chichen Itza warst. Ich muss den Zettel irgendwo in der Wohnung liegen gelassen haben.«
    »Im Kühlschrank ist noch Wasser«, sagte ich und machte das Licht aus. »Lass uns wieder nach oben gehen.« Die Erwähnung von Chichen hatte eine gedankliche Kettenreaktion in meinem Kopf in Gang gesetzt, und bis wir oben in der Küche ankamen, hatte sie sich zu einer Theorie ausgewachsen.
    Ich hockte mich auf die Anrichte, während Deirdre die Flasche an den Mund setzte und sich das Wasser die Kehle hinunterlaufen ließ.
    »Hör mal«, sagte ich, »dieser Goldberg wurde doch in Chichen Itza ermordet, richtig?«
    Sie nickte und warf die Flasche in einen Treteimer.
    »Nicht mal eine Woche später ist Ken tot.« Sie nickte wieder.
    Ich sprach nicht weiter und wartete darauf, dass sie den Zusammenhang bemerkte.
    »Und?«, sagte sie und lehnte sich an die Spüle. Offenbar war es für sie nicht ganz so klar.
    »Die Verbindung ist Chichen Itza.«
    »Was soll denn das bedeuten? Der eine wird ermordet, der andere stirbt im Krankenhaus an einem Herzanfall: Aber - haltet euch fest, Leute - beide waren in Chichen Itza! Unglaublich! Ein Mysterium, das einen Vergleich mit dem Fluch des Tutenchamun nicht zu scheuen braucht.«
    »Ich weiß, es klingt weit hergeholt…« Ich begann bereits wieder zu zweifeln. Das Ganze grenzte an Paranoia. Und Deirdres Sarkasmus half mir, das zu sehen.
    »Ich mach dir keinen Vorwurf daraus, dass du alles ein bisschen seltsam findest«, sagte sie.

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