Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman

Titel: Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
spürte die Sorge in seinem Tonfall, achtete jedoch nicht auf die Worte, denn seine ganze Aufmerksamkeit galt der Frau.
    Scanlon war herbeigetreten, um sie sich anzusehen, sagte etwas. Chinin, irgendetwas über Chinin.
    Ein plötzlicher Schauer schloss ihr die Augen und ließ ihre Züge erbleichen. Die Haut selbst schien sich eng um ihre Knochen zu legen, und sie hüllte sich zitternd fester in die Bettwäsche. Grey hatte die Malaria und ihre Schüttelfröste schon öfter gesehen, doch trotzdem erschrak er über die Plötzlichkeit und Heftigkeit der Attacke.
    »Madam«, begann er und streckte hilflos die Hand nach ihr aus. Er hatte keine Ahnung, was er tun sollte, hatte jedoch das Gefühl, etwas tun zu müssen, ihr irgendwie Erleichterung bieten zu müssen - sie war so zerbrechlich, so wehrlos im Griff der Krankheit.
    »Sie kann nicht mit Euch sprechen«, sagte Trevelyan scharf und ergriff seinen Arm. »Scanlon!«
    Der Apotheker hatte ein kleines Kohlebecken entzündet; er hatte bereits eine Zange in der Hand und zog einen
großen Stein heraus, den er zwischen den Kohlen erhitzt hatte. Diesen ließ er in ein Leinenhandtuch fallen, um ihn dann vorsichtig zum Bett zu tragen, wo er in den Laken nachgrub, um den heißen Stein zu ihren Füßen zu platzieren.
    »Kommt mit«, befahl Trevelyan. »Mr. Scanlon muss sich um sie kümmern. Sie kann jetzt nicht sprechen.«
    Das stimmte eindeutig - und doch hob sie den Kopf und öffnete gewaltsam die Augen, die Zähne fest gegen den Schüttelfrost zusammengebissen.
    »J-J-J-Jos-seph!«
    »Was denn, Liebe. Was kann ich tun?« Trevelyan ließ Grey stehen und fiel neben ihr auf die Knie.
    Sie ergriff seine Hand und hielt sie fest, während sie gegen die Kälte ankämpfte, die ihr die Knochen durchrüttelte.
    »Erz-z-zähl’s ihm. Wenn wir b-beide t-tot sind… wäre ich g-g-gerechtfertigt!«
    Beide?, wunderte sich Grey. Er hatte jedoch keine Zeit, Spekulationen über die Bedeutung dieser Worte anzustellen; Scanlon war mit seinem dampfenden Becher herbeigeeilt und hatte ihren Kopf vom Kissen gehoben. Er hielt ihr das Gefäß an die Lippen und ermunterte sie murmelnd, beschwor sie, daran zu nippen, obwohl die heiße Flüssigkeit überschwappte und von ihren klappernden Zähnen spritzte. Ihre langen Hände hoben sich und schlangen sich um den Becher, klammerten sich fest an die flüchtige Wärme. Das Letzte, was er sah, bevor Trevelyan ihn aus der Kabine schubste, war der Smaragdring, der lose an ihrem knochigen Finger hing.
Er folgte Trevelyan durch das Halbdunkel hinauf ans offene Deck. Die Konfusion des Aufbruchs hatte sich gelegt, und die Hälfte der Mannschaft war unter Deck verschwunden. Grey hatte seine Umgebung vorhin kaum zur Kenntnis genommen; jetzt sah er die Wolken aus schneeweißem Leinen, die sich über ihm blähten, und das polierte Holz- und Metallwerk des Schiffes. Die Nampara fuhr unter vollen Segeln und flog dahin wie ein lebendiges Wesen; er konnte spüren, wie das Schiff unter seinen Füßen summte, und empfand ein plötzliches, unerwartetes Hochgefühl.
    Die Wellen hatten nach dem Grau des Hafens jetzt das Lapisblau der Hochsee angenommen, und der heftige Wind, der ihm durch das Haar fuhr, trug die Gerüche von Krankheit und Enge davon. Auch die letzten Reste seiner Krankheit schienen mit diesem Wind davonzufliegen - vielleicht ja auch nur, weil seine Zipperlein bedeutungslos schienen im Vergleich mit dem verzweifelten Ringen der Frau unter Deck.
    Oben herrschte immer noch geschäftiges Treiben, und Rufe gingen zwischen dem Deck und dem mysteriösen Reich des Segeltuchs darüber hin und her, doch es war jetzt geordneter und weniger aufregend. Trevelyan begab sich zum Heck und fand einen Platz an der Reling, wo sie den Matrosen nicht im Weg waren. Dort lehnten sie sich eine Zeit lang an, ließen sich vom reinigenden Wind durchpusten und beobachteten gemeinsam, wie das Letzte, was von England zu sehen war, im fernen Nebel verschwand.
    »Glaubt Ihr, sie wird sterben?«, fragte er schließlich. Es war der Gedanke, der ihm nicht aus dem Kopf ging; Trevelyan musste es genauso gehen.

    »Nein«, schnappte Trevelyan. »Das wird sie nicht.« Er stützte sich auf die Reling und starrte trübsinnig auf das dahinrasende Wasser.
    Grey verstummte. Er schloss die Augen und ließ das auf den Wellen glitzernde Sonnenlicht tanzende Muster in Rot und Schwarz auf die Innenseiten seiner Lider malen. Er brauchte nicht zu drängen; jetzt war genug Zeit für alles.
    »Es geht ihr

Weitere Kostenlose Bücher