Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman

Titel: Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
alle würde von Trevelyans Flucht betroffen sein.
    Dennoch war seine Miene entschlossen, und er schritt dahin wie ein Mann, der auf ein fernes Ziel zusteuerte, nicht wie ein müßiger Spaziergänger.
    Grey erkannte nicht nur die Entschlossenheit, sondern auch die Willenskraft, der sie entstammte. Doch er begann auch zu begreifen, dass die Fassade des soliden Kaufmanns tatsächlich genau das war; dahinter verbarg sich ein quecksilberner Verstand, der die Umstände in Sekunden einschätzen und genauso schnell den Kurs wechseln konnte - und seine Entscheidungen mehr als rücksichtslos fällte.
    Er begriff mit klopfendem Herzen, dass Trevelyan ihn ein wenig an Jamie Fraser erinnerte. Doch nein - Fraser war gnadenlos und schnell von Verstand, und er mochte zu genauso großer Leidenschaft imstande sein -, vor allem war er jedoch ein Ehrenmann.
    Im Gegensatz dazu konnte er jetzt die tiefe Selbstsucht sehen, die Trevelyans Charakter zugrunde lag. Jamie Fraser hätte die Menschen, die von ihm abhängig waren, niemals im Stich gelassen, nicht einmal um einer Frau willen, die er - das musste Grey einräumen - eindeutig mehr liebte als das Leben selbst. Und was den Gedanken anging, einem anderen die Frau zu stehlen, so war dies unvorstellbar.
    Für einen Romantiker oder Romancier mochte die Welt sich richtig drehen, solange es nur Liebe darin gab. Doch fragte man Grey nach seiner Meinung, so war Liebe, die die Ehre opferte, weniger aufrichtig als simple Lust. Und sie degradierte jene, die behaupteten, sich darin zu sonnen.
    »Mylord!«

    Bei diesem Ruf blickte er auf und sah die beiden Byrds wie Äpfel über sich in der Takelage hängen. Er winkte, froh, dass wenigstens Tom Byrd seinen Bruder gefunden hatte. Würde jemand auf die Idee kommen, den Byrds eine Nachricht zukommen zu lassen? Oder würden sie über das Schicksal zweier Söhne im Ungewissen bleiben?
    Dieser Gedanke bedrückte ihn, und ein noch schlimmerer folgte ihm auf den Fersen. Er hatte zwar die Listen in seinen Besitz gebracht, doch er konnte niemandem mitteilen, dass er es getan hatte und die Informationen in Sicherheit waren. Bis er einen Hafen erreichte, von dem aus er eine Mitteilung schicken konnte, wäre das Kriegsministerium längst gezwungen gewesen zu handeln.
    Und diese Handlungen würden auf der Annahme basieren, dass die Informationen tatsächlich in Feindeshand gefallen waren - eine Annahme mit weit reichenden Folgen, was die notwendigen strategischen Kursänderungen und ihre Kosten anging. Kosten, die möglicherweise nicht nur mit Geld, sondern auch mit Menschenleben bezahlt werden würden. Er presste den Ellbogen gegen seine Seite und spürte das Knistern der Papiere, die er eingesteckt hatte. Dabei unterdrückte er den jähen Impuls, sich über Bord zu stürzen und gen England zu schwimmen, bis die Erschöpfung ihn in die Tiefe zog. Er hatte seine Mission erfüllt - und das Ergebnis würde doch das Gleiche sein, als hätte er total versagt.
    Ganz abgesehen vom Ruin seiner eigenen Karriere, würden Harry Quarry und das Regiment - und Hal - großen Schaden nehmen. Einen Spion in den eigenen Reihen beherbergt zu haben, war schon schlimm genug; ihn nicht rechtzeitig gefasst zu haben, war noch viel schlimmer.

    Es sah so aus, als würde ihm schließlich nur die Genugtuung bleiben, endlich die Wahrheit zu hören. Bis jetzt hatte er erst einen Bruchteil gehört - doch bis Indien war es weit, und da sowohl Trevelyan als auch Scanlon hier mit ihm festsaßen, war er sich sicher, dass er letztlich alles herausbekommen würde.
    »Woher habt Ihr gewusst, dass ich mich angesteckt hatte?«, fragte Trevelyan abrupt.
    »Habe Euren Schwanz beim Pinkeln im ›Beefsteak‹ gesehen«, erwiderte er unverblümt. Jetzt erschien es ihm absurd, dass er diesbezüglich je auch nur eine Sekunde lang Zurückhaltung oder Scham empfunden hatte. Und doch - wären die Dinge anders verlaufen, wenn er sofort etwas gesagt hätte?
    Trevelyan grunzte überrascht auf.
    »Wirklich? Ich kann mich nicht einmal daran erinnern, Euch dort gesehen zu haben. Aber ich war wohl mit den Gedanken anderswo.«
    Das war er eindeutig auch jetzt; seine Schritte hatten sich verlangsamt, und ein Matrose mit einem kleinen Fass war gezwungen auszuscheren, um einen Zusammenstoß zu verhindern. Grey nahm ihn beim Ärmel und führte ihn in den Windschatten des Vordermastes, wo ein großes Wasserfass stand, an dem ein Zinnbecher an einer dünnen Kette hing.
    Er trank Wasser aus dem Becher und genoss bei aller

Weitere Kostenlose Bücher