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Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman

Titel: Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Niedergeschlagenheit die Kühle in seinem Mund. Es war das erste Mal seit einer Woche, dass er etwas richtig schmeckte.
    »Das muss …« Trevelyan kniff die Augen zu und rechnete nach. »Anfang Juni gewesen sein - am sechsten?«
    »In etwa. Spielt das eine Rolle?«
    Trevelyan zuckte mit den Achseln und ergriff die Schöpfkelle.
    »Eigentlich nicht. Es ist nur so, dass ich die Wunde da selbst zum ersten Mal bemerkt habe.«
    »Das muss ein ziemlicher Schreck gewesen sein«, sagte Grey.
    »Ziemlich«, erwiderte Trevelyan trocken. Er trank etwas, dann ließ er den Zinnbecher wieder in das Fass fallen.
    »Vielleicht wäre es besser gewesen, nichts zu sagen«, fuhr Trevelyan fort, als spräche er mit sich selbst. »Aber… nein. Das wäre nicht gegangen.« Er machte eine Handbewegung und verwarf seinen Gedanken, wie auch immer er gelautet hätte.
    »Ich konnte es kaum glauben. Bin den Rest des Tages wie benebelt herumgelaufen und habe die Nacht damit zugebracht, mich zu fragen, was ich tun sollte - aber ich wusste, dass es Mayrhofer war; es gab keine andere Möglichkeit.«
    Er blickte auf, sah Greys Miene, und ein ironisches Lächeln breitete sich in seinem Gesicht aus.
    »Nein, nicht direkt. Durch Maria. Seit ich mit ihr zusammen kam, hatte ich das Bett mit keiner anderen mehr geteilt, und das war über ein Jahr vorher. Aber sie war eindeutig von ihrem herumhurenden Mann angesteckt worden; sie war unschuldig.«
    Nicht nur unschuldig, sondern eindeutig auch unwissend. Da er sie nicht sofort mit seiner Entdeckung konfrontieren wollte, hatte Trevelyan stattdessen ihren Arzt aufgesucht.

    »Ich hatte doch gesagt, dass sie ein Kind verloren hatte, kurz bevor ich ihr das erste Mal begegnet bin? Ich konnte den Arzt, der sie behandelt hat, zum Reden bewegen; er hat mir bestätigt, dass das Kind aufgrund der Syphiliserkrankung der Mutter missgebildet war - doch natürlich hatte er ihr nichts davon gesagt.«
    Trevelyans Finger trommelten unruhig auf dem Fassdeckel herum.
    »Das Kind wurde missgebildet, aber lebend geboren - es ist einen Tag nach der Geburt in seiner Wiege gestorben. Mayrhofer hat es erstickt, da er weder damit belastet zu werden wünschte noch wollte, dass seine Frau den Grund seines unglücklichen Schicksals erfuhr.«
    Grey spürte, wie sich sein Magen verkrampfte.
    »Woher wisst Ihr das?«
    Trevelyan rieb sich das Gesicht mit der Hand, als sei er müde.
    »Reinhardt hat es ihr - Maria - gegenüber zugegeben. Ich habe den Arzt nämlich zu ihr gebracht; ihn gezwungen, ihr zu sagen, was er mir gesagt hatte. Ich dachte - wenn sie wüsste, was Mayrhofer getan hatte, sie anzustecken, ihr Kind zum Sterben zu verdammen, vielleicht würde sie ihn verlassen.«
    Das tat sie nicht. Nachdem sie den Arzt betäubt und schweigend angehört hatte, hatte sie lange Zeit dagesessen und nachgedacht. Dann hatte sie Trevelyan und den Arzt gebeten zu gehen, da sie allein sein wollte.
    Sie war eine Woche allein geblieben. Ihr Mann war nicht da, und sie ließ niemanden zu sich außer den Dienstboten, die ihr das Essen brachten - das sie unberührt zurückgehen ließ.

    »Sie hat mir gesagt, dass sie an Selbstmord gedacht hat«, sagte Trevelyan, der auf die endlose See hinausstarrte. »Besser, dachte sie, es sauber zu beenden, als langsam auf solche Weise zu sterben. Habt Ihr schon einmal jemanden an der Syphilis sterben sehen, Grey?«
    »Ja«, sagte Grey, und der üble Geschmack stahl sich erneut in seinen Mund. »Im Irrenhaus.«
    Er erinnerte sich besonders an einen Mann, dem die Krankheit die Nase und das Gleichgewicht geraubt hatte, sodass er wie betrunken über den Boden schlingerte und hilflos mit den anderen Insassen zusammenstieß. Dann war er mit dem Fuß im Nachtgeschirr stecken geblieben, und Rotz und Wasser waren ihm über das zerfurchte Gesicht gelaufen. Grey hatte nur hoffen können, dass die Syphilis dem Mann auch den Verstand geraubt hatte, sodass er sich seiner Lage nicht bewusst war.
    Dann sah er Trevelyan an und stellte sich zum ersten Mal dieses kluge, schmale Gesicht zerstört und sabbernd vor. Es würde geschehen, begriff er leicht erschrocken. Die einzige Frage war, wie lange es dauern würde, bis sich die Symptome zeigten.
    »Wenn ich es wäre, würde ich vielleicht auch an Selbstmord denken«, sagte er.
    Trevelyan sah ihm ins Gesicht, dann lächelte er reumütig.
    »Wirklich? Dann sind wir aus verschiedenem Holz geschnitzt«, sagte er ohne jeden wertenden Unterton. »Dieser Weg ist mir nie in den Sinn gekommen,

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