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Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman

Titel: Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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schlechter«, sagte Trevelyan schließlich, als er das Schweigen nicht mehr ertragen konnte. »Das ist nicht normal. Ich habe schon oft Malariakranke gesehen; die erste Attacke ist normalerweise die schlimmste - wenn sie mit Chinarinde behandelt wird, kommen die folgenden Attacken in immer größeren Abständen und sind weniger heftig. Das sagt Scanlon auch«, fügte er beinahe im Nachhinein hinzu.
    »Leidet sie schon lange daran?«, fragte Grey neugierig. Stadtbewohner wurden nur selten von dieser Krankheit befallen, doch möglicherweise hatte die Dame sich ja auf Reisen mit ihrem Mann angesteckt.
    »Seit zwei Wochen.«
    Grey öffnete die Augen und sah, dass Trevelyan sich aufgerichtet hatte, das kurze Haar vom Wind zu einem Hahnenkamm hochgeweht, das Kinn vorgeschoben. Ihm stand das Wasser in den Augen; vielleicht lag es ja am rauschenden Wind.
    »Ich hätte nicht zulassen sollen, dass er es tut«, murmelte Trevelyan. Seine Hände hielten die Reling in ohnmächtiger Wut umklammert, unter die sich Verzweiflung mischte. »Himmel, wie konnte ich nur zulassen, dass er es tut?«
    »Wer denn?«, fragte Grey.

    »Scanlon natürlich.« Trevelyan wandte sich kurz ab, fuhr sich mit dem Handgelenk über die Augen, dann drehte er sich wieder um und lehnte sich mit dem Rücken zum Meer an die Reling. Er verschränkte die Arme vor der Brust und starrte finster vor sich hin, ganz auf seine eigenen, trostlosen Visionen konzentriert.
    »Lasst uns ein Stück laufen«, schlug Grey schließlich vor. »Kommt, die Luft wird Euch gut tun.«
    Trevelyan zögerte, zuckte dann aber mit den Achseln und willigte ein. Sie umkreisten wortlos das Deck und wichen den Matrosen aus, die ihrer Arbeit nachgingen.
    Grey lief zunächst sehr vorsichtig, weil seine Schuhe Ledersohlen hatten und das Deck schlingerte, doch die Planken waren trocken, und die Schiffsbewegungen regten seine Sinne an; trotz seiner eigenen, misslichen Lage spürte er seine Lebensgeister erwachen, das Blut stieg ihm in die Wangen und erfrischte seine steifen Gliedmaßen. Zum ersten Mal seit Tagen begann er, sich wieder wirklich wie er selbst zu fühlen.
    Es stimmte zwar, er war auf einem Schiff gefangen, das nach Indien unterwegs war, und es war unwahrscheinlich, dass er seine Heimat in nächster Zeit wieder sehen würde. Doch er war Soldat und an lange Reisen und Trennungen gewöhnt - und der Gedanke an Indien mit seinen Mysterien des Lichtes und seiner Geschichte voller Blut war unleugbar aufregend. Und er konnte sich darauf verlassen, dass Quarry seiner Familie mitteilen würde, dass er noch am Leben war.
    Was würde seine Familie in Bezug auf die Hochzeitsvorbereitungen unternehmen?, fragte er sich. Trevelyans abrupte Flucht würde einen enormen Skandal auslösen, dem
ein noch größerer folgen würde, wenn publik wurde - und das würde es ohne Zweifel -, welche Rolle Frau Mayrhofer dabei spielte, deren Mann auf solch schockierende Weise ermordet worden war. Er war nicht geneigt, die Behauptung der Dame zu glauben, dass sie Mayrhofer umgebracht hatte; nicht, nachdem er die Leiche gesehen hatte. Selbst eine gesunde Frau brachte das nicht zustande… und Maria Mayrhofer war schmal und nicht größer als seine Cousine Olivia.
    Die arme Olivia; ihr Name würde wochenlang als die sitzen gelassene Verlobte die Londoner Gazetten zieren - doch wenigstens würde ihr Ruf verschont bleiben. Gott sei Dank, dass die Affäre sich vor der Hochzeit zugespitzt hatte und nicht hinterher. Das war wenigstens etwas.
    Wäre Trevelyan genauso zurückgeschreckt, wenn Grey ihn nicht zur Rede gestellt hätte? Oder wäre er geblieben - und hätte Olivia geheiratet, seine Geschäfte weitergeführt, seine Nase in die Politik gesteckt und sich als Vertrauter von Herzögen und Ministern in der feinen Gesellschaft bewegt, seine Fassade als grundsolider Kaufmann aufrecht erhalten - während er insgeheim seine leidenschaftliche Affäre mit der Witwe Mayrhofer weiterführte?
    Grey warf einen Seitenblick auf seinen Begleiter. Dessen Gesicht war immer noch finster, doch jenes kurze Aufflammen der Verzweiflung war vorbei. Er hatte jetzt entschlossen die Zähne zusammengebissen.
    Was mochte der Mann denken? So zu fliehen, wie er es getan hatte, und einen Skandal zu hinterlassen, würde katastrophale Folgen für sein Geschäft haben. Seine Firmen, deren Investoren, seine Kunden, die Arbeiter, Kapitäne und Seeleute, Bürokräfte und Lagerverwalter, die für die
Firmen arbeiteten - selbst der Bruder im Parlament;

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