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Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman

Titel: Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Vollständig.«
    Jack Byrd war es gewesen, der auf den Gedanken mit dem Blut gekommen war. Er hatte sich unauffällig davongemacht und war mit einem Eimer Schweineblut vom Metzger zurückgekommen. Sie hatten der Leiche mit einer Schaufel das Gesicht zerschmettert und sie dann mitsamt dem Eimer in der Kutsche verstaut. Jack hatte das Gespann die kurze Strecke zum St. James Park gefahren. Inzwischen war es nach Mitternacht, und die Fackeln, die normalerweise die öffentlichen Wege beleuchteten, waren schon lange gelöscht.
    Sie hatten die Pferde festgebunden und die Leiche rasch ein kleines Stück in den Park getragen, wo sie sie unter
einem Busch abgelegt und mit Blut übergossen hatten. Dann waren sie zurück zur Kutsche geflüchtet.
    »Wir hofften, dass man die Leiche für die einer einfachen Prostituierten halten würde«, erklärte Trevelyan. »Solange niemand sie genau unter die Lupe nahm, würde man sie für eine Frau halten. Und wenn ihr wahres Geschlecht entdeckt wurde… nun, dann hätte das zwar für größere Neugier gesorgt, doch Männer mit gewissen perversen Vorlieben sterben oft auch eines gewaltsamen Todes.«
    »Tatsächlich«, murmelte Grey, der darauf achtete, sein Gesicht von jeder Regung freizuhalten. Es war kein schlechter Plan - und er war trotz allem erfreut, ihn korrekt erraten zu haben. Der Tod einer anonymen Prostituierten - beiderlei Geschlechtes - hätte weder einen Aufschrei noch Ermittlungen nach sich gezogen.
    »Aber wozu das Blut? Es war doch offensichtlich - wenn man genau hinsah -, dass der Mann erschossen worden war.«
    Trevelyan nickte.
    »Ja. Wir dachten, das Blut könnte die Todesursache verschleiern, weil es darauf hinzudeuten schien, dass er zu Tode geprügelt worden war - aber vor allem diente es dazu, zu verhindern, dass jemand die Leiche auszog und damit ihr Geschlecht entdeckte.«
    »Natürlich.« Wenn an einer Leiche brauchbare Kleidungsstücke gefunden wurden, war es üblich, dass ihr diese ausgezogen und verkauft wurden, entweder durch den Aufseher des Leichenschauhauses, der sie übernahm, oder spätestens durch den Totengräber, der die Leiche in einem anonymen Armengrab verscharrte. Doch niemand - außer
Grey - hätte dieses nasse, stinkende Gewand auch nur angefasst.
    Wäre das grüne Samtkleid nicht Magruder aufgefallen, oder wären sie so schlau gewesen, sich der Leiche in einem anderen Stadtviertel zu entledigen, hätte sich höchst wahrscheinlich kein Mensch die Mühe gemacht, die Leiche zu untersuchen; man hätte sie schlicht als eines der Opfer der dunklen Welt Londons abgeschrieben und keinen weiteren Gedanken an sie verschwendet, ähnlich wie wenn ein streunender Hund unter die Räder einer Kutsche kommt.
    »Sir?«
    Er hatte das Geräusch der herannahenden Schritte nicht gehört und schreckte auf, als er Jack Byrd neben ihnen stehen sah, das dunkle Gesicht ernst. Trevelyan warf nur einen kurzen Blick darauf, und schon war er zur Tür nach unten unterwegs.
    »Geht es Mrs. Mayrhofer schlechter?«, fragte Grey, der beobachtete, wie Trevelyan durch eine Traube von Matrosen stolperte, die Segel flickten.
    »Ich weiß es nicht, Mylord. Ich glaube, es könnte sein, dass es ihr besser geht. Mr. Scanlon ist aus der Kajüte gekommen und hat gesagt, ich solle Mr. Joseph holen. Er sagt aber, er geht für ein Weilchen in die Mannschaftsmesse, falls Ihr ihn sprechen wollt«, fügte er als logischen Schluss hinzu.
    Grey sah den jungen Mann an, an dem ihm irgendetwas bekannt vorkam. Nicht die Ähnlichkeit mit Tom; etwas anderes. Jack Byrds Augen waren immer noch auf seinen Herrn gerichtet, als Trevelyan die Luke erreichte. Es lag etwas Unbewachtes in seiner Miene, das Greys Instinkt erkannte, lange bevor es sein Verstand identifizierte.

    Es war im Bruchteil einer Sekunde verschwunden, und Jack Byrds Gesicht verwandelte sich schlagartig wieder in eine ältere, schmalere Version des Gesichtes seines jüngeren Bruders. Dann wandte er sich an Grey.
    »Braucht Ihr Tom, Mylord?«, fragte er.
    »Im Augenblick nicht«, erwiderte Grey automatisch. »Ich gehe jetzt zu Mr. Scanlon, um mich mit ihm zu unterhalten. Sagt Tom, ich werde ihn rufen lassen, wenn ich ihn brauche.«
    »Sehr wohl, Mylord.« Jack Byrd verbeugte sich ernst, die elegante Geste eines Hausdieners, die so gar nicht zu seinen Matrosenlatschen passte. Dann ging er davon und überließ es Grey, sich selbst zurechtzufinden.
    Er begab sich unter Deck, um die Mannschaftsmesse aufzusuchen. Er nahm seine Umgebung kaum war,

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