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Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman

Titel: Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Augenblick der Erholung auf den mit Brokat bestickten Sessel am Schreibtisch sinken und legte den Kopf auf seine verschränkten Arme, während er darauf wartete, dass sein Herz aufhörte, so fest zu schlagen.
    Damit war also immerhin die Identität der Leiche festgestellt. Und irgendeine Art von Verbindung zwischen Reinhardt Mayrhofer, dem Bordell an der Meacham Street - und Joseph Trevelyan. Doch diese Verbindung beruhte allein auf dem Wort einer Hure und seiner eigenen Identifikation des grünen Samtkleides, erinnerte er sich.

    Was, wenn Nessie sich irrte und der Mann, der das Bordell in Grün gekleidet verließ, nicht Trevelyan war? Doch er war es, rief er sich ins Gedächtnis. Richard Caswell hatte es zugegeben. Und nun war ein betuchter Österreicher tot aufgetaucht, bekleidet mit einem grünen Kleid, das zumindest dem Anschein nach dasselbe Kleid war, das Magda, die Puffmutter von der Meacham Street, getragen hatte - welches wiederum vermutlich das Kleid war, das Trevelyan getragen hatte. Und Mayrhofer war ein Österreicher, der häufig mysteriöse Reisen antrat.
    Grey war sich hinreichend sicher, dass er Bowles’ großen Unbekannten entdeckt hatte. Und wenn Reinhardt Mayrhofer tatsächlich ein Spion war … dann lag der Schlüssel zu Tim O’Connells Tod wahrscheinlich im finsteren Reich von Staatskunst und Verräterei, nicht im blutroten Revier von Lust und Rache.
    Doch die Scanlons waren ja fort, erinnerte er sich. Und welche Rolle in Gottes Namen spielte Joseph Trevelyan bei alledem?
    Sein Herzschlag verlangsamte sich wieder; er schluckte den Metallgeschmack in seinem Mund hinunter, und als er dann den Kopf hob, fiel sein Blick auf etwas, das er bis jetzt zwar mit halbem Auge gesehen, jedoch nicht bewusst zur Kenntnis genommen hatte: ein großes Gemälde, das über dem Schreibtisch hing, von erotischer Natur und mittelmäßiger Ausführung - signiert mit den Initialen »RM«, die in der Ecke geschickt in einen Blumenstrauß eingearbeitet waren.
    Er erhob sich, wischte sich die verschwitzten Handflächen an den Rockschößen ab und sah sich rasch im Zimmer um. Es gab noch zwei Bilder der gleichen Art - unleugbar
von derselben Hand gemalt wie die Bilder, die Magdas Boudoir zierten. Alle mit »RM« signiert.
    Dies war ein zusätzlicher Beweis für Mayrhofers Verbindungen, wäre ein solcher noch nötig gewesen. Doch es weckte auch erneute Fragen über Joseph Trevelyan. Er hatte nur Caswells Wort, dass Trevelyans Inamorata eine Frau war - ansonsten wäre er sich sicher gewesen, dass dieser seine Rendezvous mit Mayrhofer abhielt … zu welchem Zweck auch immer.
    »Und der Tag, an dem du Dickie Caswell über den Weg traust, du närrischer Tropf …«, knurrte er und zog sich aus dem Sessel hoch. Auf seinem Weg zur Tür fiel ihm das Schüsselchen mit dem gerinnenden Eiklar ins Auge, und er nahm sich eine Sekunde Zeit, um es hastig in die Schublade des Schreibtischs zu schieben.
    Von Namtzen hatte die restlichen Dienstboten zur weiteren Befragung in die Bibliothek getrieben. Als er Grey hereinkommen hörte, drehte er sich zu ihm um.
    »Sie sind wirklich beide fort. Er schon seit ein paar Tagen, sie irgendwann letzte Nacht - niemand hat es gesehen. Das sagen zumindest diese Dienstboten.« An diesem Punkt drehte er sich um und warf einen unerbittlichen Blick auf den Butler, der zusammenzuckte.
    »Fragt sie doch bitte nach dem Arzt«, sagte Grey und blickte von einem Gesicht zum nächsten.
    »Arzt? Geht es Euch wieder schlechter?« Von Namtzen schnippte mit den Fingern und wies auf eine kräftige Frau mit einer Schürze, die wohl die Köchin sein musste. »Ihr - mehr Eier!«
    »Nein, nein! Mir geht es bestens, danke. Die Zimmermädchen haben gesagt, dass es Mrs. Mayrhofer diese
Woche nicht gut gegangen ist und dass ein Arzt hier gewesen ist. Ich möchte gern wissen, ob jemand ihn gesehen hat.«
    »Ah?« Bei diesen Worten setzte von Namtzen eine interessierte Miene auf und begann sofort, die vor ihm aufgebauten Dienstboten mit Fragen zu bombardieren. Grey lehnte sich unauffällig an ein Bücherregal und täuschte gebannte Aufmerksamkeit vor, während der nächste Schwindelanfall kam und ging.
    Der Butler und die Kammerzofe hatten den Arzt gesehen, berichtete von Namtzen, als er sich zu Grey umwandte, um ihn seine Antworten zu übersetzen. Er war mehrmals dagewesen, um nach Frau Mayrhofer zu sehen.
    Grey schluckte. Vielleicht hätte er das letzte Eiklar doch trinken sollen; es konnte nicht halb so ekelhaft schmecken

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