Das Meer der Seelen Bd. 1 - Nur ein Leben
weiter zu protestieren, aber sobald ich aufhörte, würde ich anfangen, über das nachzudenken, was Sam vor mir verborgen hatte. Er hatte das Haus so oft verlassen, nachdem ich zu Bett gegangen war, und immer so geheimnisvoll mit dem getan, woran er gearbeitet hatte … »Bitte, Corin. Sam hat gesagt, du seist nicht schlecht.«
Er scheuchte mich auf die Rückbank des Wagens, und alle versperrten mir den Weg, so dass ich nicht fliehen konnte. Li rutschte auf eine Seite von mir, und Meuric setzte sich auf die andere. Gefangen.
Wir fuhren durch die gewundenen Straßen von Heart, weg von Sams Haus. Abgesehen von meiner Fahrt als Säugling war
dies das erste Mal, dass ich in einem Wagen saß, und ich konnte es nicht einmal genießen. Ich war eine Gefangene, so sicher, wie Sam es gewesen war. Wir alle wussten, dass ich weggelaufen wäre, wenn sie mit mir zu Fuß zu Lis Haus gegangen wären.
»Ich weiß, dass du dir Sorgen machst, Ana.« Lis Stimme war lauter in dem engen Raum. »Mir ist bewusst, dass ich deine Ausbildung bislang vernachlässigt habe. Ich werde es diesmal besser machen.«
Was immer Meuric ihr angeboten hatte – ich war mir sicher, dass er hierfür verantwortlich war –, sie musste es wirklich gewollt haben. »Sam und ich hatten alles abgedeckt.«
Sie redete weiter, als hätte ich nichts gesagt, und listete all die Pläne auf, die sie für mein Leben gemacht hatte. Als wir am Rathaus vorbeifuhren, das von den Resten der Maskerade und dem Leuchten des Tempels auf unheimliche Weise erhellt war, bemerkte ich, dass am Fuße des Gebäudes, in einer sonst dunklen Ecke, in der ich nie gewesen war, ein Licht ausging. Das Gefängnis?
Li würde mich jetzt nie wieder aus den Augen lassen, aber ich war sicher, dass sie genau dort Sam festhielten.
KAPITEL 25
In der Falle
Das Leben reduzierte sich auf mein neues Ziel: mich vor Li zu schützen.
Es gab keine Musik in ihrem Haus, sie hatte in Vorbereitung meiner Ankunft sämtliche Aufzeichnungen entfernt und darauf bestanden, dass ein solcher Unsinn mich nur ablenken würde.
Jeden Morgen weckte sie mich vor Tagesanbruch, hetzte mich durchs Frühstück und ließ mich Runden ums Haus laufen, wenn die Sonne die Stadtmauer überstieg. Fünfzehn am ersten Tag und zwanzig, als ich die fünfzehn ohne Probleme schaffte. Einige weitere Runden, und sie war mit meiner Atemlosigkeit zufrieden, aber nach einer Woche beschloss sie, dass ich dreißig laufen solle. Nur meine Verachtung trieb mich dazu, einen Fuß vor den anderen zu setzen, wenn ich nicht mehr klar sehen konnte. Der Schwefelgestank einer heißen Quelle auf der anderen Seite der Mauer machte es nicht besser.
Nachdem ich wieder zu Atem gekommen war, übte ich mich bis zum Mittagessen im Krafttraining. Soweit ich erkennen konnte, sah sie mir einfach gerne dabei zu, wie ich mich abkämpfte. Ich hatte mich nie als schwach empfunden, aber nachdem ich Sam und seine Freunde kennen gelernt hatte, war deutlich geworden, dass ich kleiner war als der Durchschnitt. Ich würde nie so groß werden wie Li oder so muskulös wie Orrin – nicht in diesem Leben –, daher hatte es keinen Sinn, dass ich mich so verausgabte.
Sie erklärte mir die Arbeit in den Wachstationen und zeigte mir die Ausrüstung, aber ich durfte nichts anfassen. Sie brachte mir nichts über Waffen bei oder wie ich mich verteidigen konnte.
Vielleicht hatte sie Angst, dass ich meine Ausbildung gegen sie benutzen würde, aber ich sorgte mich mehr um den Angriff, den Meuric erwähnt hatte. Wenn hundert Drachen auf Heart niederstießen, wollte ich nicht die Einzige ohne einen Laser sein.
Sams Messer blieb unter meinem Kissen, wo Li es nicht finden würde.
Nach dem Mittagessen konnte ich so faszinierende Themen wie Pflüge und Bewässerungssysteme studieren sowie die ersten Bemühungen, eine Kanalisation unter Heart anzulegen, was durch den Kraterrand und den ganzen geothermalen Kram um die Stadt erschwert worden war. An den meisten Tagen schlief ich über meinen Büchern ein und wurde von Lis grinsender Verkündung, dass ich niemals ein produktives Mitglied der Gesellschaft sein würde, geweckt.
Es war mir nicht gestattet, den Ausbildungsplan fortzusetzen, den Sam für mich aufgestellt hatte, geschweige denn, Sarit oder Whit zu besuchen. Ich wagte es nicht, mich nach Orrin oder Stef zu erkundigen, und die Erwähnung Sams trug mir einen scharfen Schlag aufs Handgelenk ein. Anscheinend galt das nicht als eine Verletzung meiner Person, denn als Meuric
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