Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)
eine lange Liste von Google-Suchergebnissen zum Thema Julian Laurence Southfield an.
Im Rahmen meiner gründlichen Nachforschungen über Southfield hatte ich die meisten Einträge in den vergangenen Tagen bereits gelesen, weshalb es nur wenig gab, was ich noch nicht wusste. Julian Laurence hatte den Fonds im Jahr 2001 mit einigen anderen Börsengenies und seinem eigenen traumwandlerischen Talent, die Märkte einzuschätzen, gegründet. Die Gewinne waren gestiegen, und die Investoren waren immer mehr geworden, bis Southfield Advisors sich zu einem der weltweit größten Hedgefonds entwickelt hatte.
Allerdings wurde das Unternehmen trotz seines explosionsartigen Wachstums bemerkenswert selten in den Medien erwähnt. Hier und da erschien ein Julian zugeschriebenes Zitat, zumeist eine nichtssagende Bemerkung über die Bedingungen auf dem Markt, niemals etwas Persönliches.
Und das war das Merkwürdige daran. Schließlich war Julian der unverschämt gutaussehende junge Geschäftsführer eines erfolgreichen Hedgefonds und in jeglicher Hinsicht ein absolutes Wunderkind. Wo also waren die Interviews? Die Titelbilder bei Vanity Fair? Die spitzzüngigen Artikel im New York Magazine . Selbst auf Seite sechs der New York Post entdeckte ich nur eine Anspielung aus dem letzten Jahr, und zwar anlässlich einer Wohltätigkeitsveranstaltung im Museum of Modern Art: »Julian Laurence, der zurückgezogen lebende Gründer des Mega-Hedgefonds Southfield Advisors, hatte einen seiner seltenen öffentlichen Auftritte und ließ bis zu seinem frühen Aufbruch die Herzen der Damen der Gesellschaft höherschlagen.«
Mehr nicht. Nicht einmal ein Foto von diesem bemerkenswerten Gesicht.
Ich fuhr mit dem Cursor langsam über seinen Namen. Warum hielt er sich so bedeckt? Er hätte sich doch unters Volk mischen, Spaß haben, mit Supermodels ausgehen und sich eine Strandvilla in den Hamptons kaufen können. Die Welt lag ihm zu Füßen. Unmöglich, dass er seine Abende einfach zu Hause verbrachte.
»Sollen wir also diesen Mist mit Bioderma gegenchecken?«, fragte Charlie. »Es ist nämlich ziemlich komisch, wenn man am IPO herumpfuscht, ohne … Scheiße.« Ruckartig stellte er die Füße auf den Boden.
Als ich seinem Blick folgte, sah ich Alicia, in einen eleganten schwarzen Hosenanzug gewandet, auf uns zumarschieren. Obwohl im Großraumbüro noch etwa ein Dutzend anderer Analysten saßen und über ihren Projekten brüteten, war ich todsicher, dass sie es nicht auf einen von ihnen abgesehen hatte.
Sie brauchte nicht lange, um mich zu finden. »Kate, ich würde gern …« Sie hielt inne und betrachtete mich abschätzig. » So laufen Sie also inzwischen herum?«
Rechtfertigend betastete ich die falsche Perlenkette, die auf dem weiten Ausschnitt meines anthrazitfarbenen Strickkleids ruhte. »Alicia«, erwiderte ich ruhig, »ich habe heute keine Sitzungen.«
»Wie dem auch sei, Kate, ich muss mit Ihnen reden. Ist ein Konferenzraum frei?«
»Müsste eigentlich so sein«, antwortete ich. »Momentan ist nicht gerade viel los.«
Sie folgte mir in einen leeren Raum und schloss die Tür, dass ihre Armbänder klappernd gegen den Türknauf schlugen. Ihr Parfum, ein Blumenduft, umwogte uns in einer dichten Wolke. »Was zum Teufel bilden Sie sich eigentlich ein?«, zischte sie.
»Uff«, sagte ich. »Keine Ahnung, was Sie meinen.«
»Sie haben mir den Scheißauftrag weggeschnappt! Mich rausgedrängt. Banner gegen mich aufgehetzt. Nach allem, was ich getan habe, damit Sie gut dastehen …«
»Verzeihung«, unterbrach ich sie. Ich spürte, wie meine Wangen zu glühen begannen. »Auf welchem Planeten leben Sie? Ich habe mit der Sache nichts zu tun. Banner hat mich zu einer Besprechung zitiert und gesagt, er werde mich mit der Überarbeitung betrauen. Es war nicht meine Idee. Er hat mir nicht einmal eine Wahl gelassen.«
»Sie halten mich wohl für total bescheuert, Kate!« Ihr schriller Ton steigerte sich fast bis zu einem Kreischen.
Fatalerweise zog ich eine Augenbraue hoch.
Alicia lief puterrot an; ihre blauen Augen quollen unter den schweren Lidern hervor. Doch als sie wieder das Wort ergriff, hatte sich ihre Stimme beinahe zu einem Flüstern gesenkt. »Sie gottverdammte Schlampe. Sie kleine Nutte. Sie ahnen ja nicht, wie ich mit Ihnen Schlitten fahren werde. Und wenn ich dazu die ganze Scheißbank in die Luft jagen müsste!«
Mit diesen Worten machte sie kehrt und stolzierte hinaus. Ich stand da wie erstarrt und sah zu, wie sich die Tür
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