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Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)

Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Das Meer der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatriz Williams
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Kopf gefallen. Obwohl auf den ersten Blick alles nach einem offiziellen Geschäftsabschluss aussah, roch Banners Plan nur so nach einem Flirt und vielleicht auch mehr.
    Rasch und ehe ich es mir anders überlegen konnte, steckte ich den Zettel wieder in die Geldbörse und griff nach meinem Telefon, um eine Kurznachricht einzutippen. »Hallo, Julian, bin gerade auf dem Weg nach Uptown. Kann ich kurz die Biodermamappe vorbeibringen? Freundliche Grüße, Kate Wilson.«
    Unschlüssig verharrte mein Finger über den Tasten. Sollte ich die Anrede formeller halten? Lieber Mr. Laurence klang aufgesetzt, Lieber Julian zu anbiedernd und vertraulich. Ich hielt den Atem an, drückte auf »Senden« und warf das Telefon auf den Tisch, als wäre es eine tickende Bombe.
    Dann ließ ich den Blick durch meine Arbeitskabine schweifen. Eigentlich hätte ich ein paar Sachen zusammenpacken sollen; ich würde erst am Montag wieder im Büro sein. Also griff ich nach meiner Tasche und fing an, Aktenordner, hauptsächlich zum Thema Bioderma, darin zu verstauen. Schließlich würden noch weitere Sitzungen stattfinden. Am Dienstag war eine Dienstreise nach Boston geplant.
    Als mein Telefon surrte, zählte ich volle drei Sekunden ab, bevor ich danach griff.
    »Bin schon nach Hause gegangen. Sie wohnen nicht vielleicht in der Upper Eastside? Julian.«
    Ich antwortete rasch. »Doch, 79. Straße.«
    Die Reaktion erfolgte ebenso schnell. »Meine Adresse ist 52 E 74. Könnten Sie dorthin kommen?«
    »Natürlich. Welche Wohnung?«
    »Das Haus.«
    Das ganze Haus, sein eigenes, privates Rechteck von Manhattan. Warum nicht? Meine Hände begannen zu zittern. Eine schlechte Idee. Sträflicher Leichtsinn. Ich sollte besser die Finger davon lassen.
    »Okay, bin in einer halben Stunde da.«
    Amiens
    Ich spürte, wie sich Julians kräftige, starke Arme um meine Taille schlossen. Ich wollte sie abschütteln, doch mein Magen stieß wieder Galle auf, so dass ich Mühe hatte, nicht vorwärts zu Boden zu fallen. Schweißperlen entstanden an meinen Schläfen.
    »Entschuldigen Sie«, keuchte ich und machte mich los.
    »Sie sind krank. Setzen Sie sich.«
    »Nein, es ist alles in Ordnung«, protestierte ich. »Ich habe nur ein wenig Hunger.«
    »Das Tablett sollte gleich da sein. Ich …« Verlegen hielt er inne.
    Wie benommen stand ich da und starrte – eine alte blaue Vase mit meinem eigenen Erbrochenen in der Hand – zu Boden. »Was müssen Sie nur von mir denken«, murmelte ich und versteckte die Vase hinter meinem Rock.
    Er räusperte sich. »Ich denke, dass Sie sich jetzt setzen sollten. Hier«, fügte er hinzu und nahm mir die Vase ab. »Ich bringe das in die Spülküche.«
    »Oh, Sie brauchen nicht …«, begann ich, aber es war zu spät. Ich wankte zum Sofa, sank darauf und schlug die Hände vors Gesicht. Die Katastrophe schien unaufhaltsam; und noch schlimmer, ich verschwendete das kostbarste Gut, das ich hatte – Zeit. Lass dir etwas einfallen, Kate.
    Die Tür ging auf, und Julian kehrte zurück. Offenbar hatte er die Vase beseitigt. Ich richtete mich auf und zwang mich, zu lächeln und nicht an meine Verlegenheit zu denken. Es war leichter als erwartet. Vielleicht lag es daran, dass ich mich nach dem Erbrechen besser fühlte.
    »Der Arzt ist jeden Moment da«, sagte er.
    »Das ist wirklich nicht nötig. Ich …« Unsicher, wie ich fortfahren sollte, verstummte ich.
    »Die Wirtin kommt bestimmt gleich«, wiederholte er. Er hielt inne und stand, die Hände auf dem Rücken und die Mütze fest auf dem Kopf, stocksteif mitten im Raum. Während ich ihn beobachtete, hob und senkte sich der Schatten seines Adamsapfels an seiner Kehle, so flüchtig, dass ich die Bewegung im Fall eines Blinzelns wahrscheinlich verpasst hätte.
    Die Erkenntnis, dass er nervös war, löste so etwas wie Erleichterung aus. Es war die Andeutung dessen, dass ich bereits ein klein wenig Macht über ihn gewonnen hatte. Bescheiden faltete ich die Hände auf dem Schoß. »Ich danke Ihnen sehr für Ihre Hilfe, Captain Ashford«, flötete ich und neigte den Kopf zur Seite. Kurz blieb sein Blick an meinem unbedeckten Hals hängen. »Sie waren wundervoll.«
    Er zögerte. »Sie verzeihen«, erwiderte er, »doch ich fürchte, Sie haben mir etwas voraus. Sind wir uns vielleicht schon einmal begegnet?«
    Ich spürte, wie ein leichtes Lächeln um meine Lippen spielte. »Begegnet? So würde ich es nicht unbedingt ausdrücken.«
    »Und dennoch kennen Sie meinen Namen.«
    »Ja.«
    Wie mir klar

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