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Das Meer in deinem Namen

Das Meer in deinem Namen

Titel: Das Meer in deinem Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Koelle
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Strand lag. Er konnte überall sein. Nun kroch die Angst doch in ihr hoch. Unter ihr war kein Boden spürbar, nur etwas Weiches berührte ihr Bein. Sie konzentrierte sich auf ihren Atem, kniff die Augen zusammen. Stellenweise war der Nebel für einen Moment heller, ehe ein neuer dichterer Schwaden herantrieb. Da, der Strich, das war er doch, der Strand? Und da stand ein großer Mann in einem Umhang und winkte heftig mit beiden Armen! Oder? Sie versuchte, seine schemenhafte Gestalt im Auge zu behalten und schwamm mit aller Kraft auf ihn zu. Jeder Atemzug schnitt jetzt wie ein Messer in ihre Lungen. Ihre Beine fühlten sich an wie Gummi, nutzlos gegen die endlose Macht der Wellen. Kam der Mann näher? Nein, er war verschwunden. Aber halt, jetzt sah sie den dunklen Felsen aufragen, der nahe am Strand im Wasser lag.

    „Bleiben Sie ruhig, ich bin da! Sie haben es fast geschafft!“ Sie hörte erst seine Stimme, dann tauchte sein Kopf neben ihr aus dem Nebel auf, nass und dunkelhaarig wie ein Seehund. Weiche braune Augen und ein breites Lächeln blitzten sie freundlich an. „Soll ich Sie abschleppen?“
    Carly war so erleichtert, dass sie sich plötzlich bärenstark fühlte. „Geht schon.“ Jetzt konnte sie die dunklen Kiefern auf den Dünen erkennen, sie standen scheinbar im Nichts, wie schiefe Schriftzeichen. Wachsam blieb ihr Begleiter dicht hinter ihr, bis sie beide schnaufend am Strand lagen und sich gegenseitig genauer ansahen. Carlys Beschützer schien etwa in ihrem Alter.
    „Ich glaube, wir können uns duzen“, stellte er auch prompt fest. „Ich bin Harry Prevo. Tut mir leid, dass unsere gute Ostsee dich so überrumpelt hat. Sie hat es manchmal faustdick hinter den nassen Ohren, aber sie meint es nicht so. Meistens jedenfalls.“
    „Carly Templin. Besten Dank für die Rettung.“
    „Du hättest es auch so geschafft. Dann bist du die, die in Henny Badonins Haus wohnt? Daniel hat es mir erzählt. Zieh dich an, ich bring dich lieber nach Hause, nicht, dass du dich im Nebel noch mal verläufst.“
    „Wie hast du mich sehen können in dem Nebel?“
    „Ich sah dich beim Spazierengehen auf der Sandbank, und als ich auf dem Rückweg war, war da nur noch der Nebel. Ich dachte mir, dass du überrascht worden sein könntest, und dann hörte ich dich rufen.“
    „Ich habe nicht gerufen.“
    Er blickte verwirrt. „Dann war es wohl das Plätschern.“

    Sie war sich nicht sicher, ob er sie aus Ritterlichkeit begleiten wollte oder weil es eine Chance war, Henny Badonins Haus von innen zu sehen, aber es war ihr gleich. Sie war froh über seine Gegenwart, die die Angst zurück auf das graue Meer drängte, in eine Ferne, in der sie mitsamt dem Wasser im Nebel unsichtbar wurde.
    Harry trug gar keinen Umhang, bemerkte sie; was sie von Weitem für ein Regencape gehalten hatte, war eine dunkle Windjacke.

    Als sie auf Naurulokki ankamen, fühlte sie sich verpflichtet, ihm eine Tasse Tee zum Aufwärmen anzubieten, außerdem lag das Haus im Dunkeln. Ralph war noch nicht da, und sie mochte nicht allein hineingehen, nicht heute.
    So saßen sie beide in der Küche, in Decken gewickelt, und plauderten im Licht von Carlys Kerze, die zu ihrer Verblüffung ganz wunderbar brannte.
    „Toll!“, sagte Harry und drehte sie mit dem improvisierten hölzernen Halter hin und her. „Das ist mal was anderes. Aber ich könnte auch einen Ständer töpfern, ich habe da gerade so eine Idee.“
    „Du bist Töpfer?“
    Er strahlte sie an.
    „Klar. Komm doch in den nächsten Tagen mal in meine Werkstatt, dann zeige ich dir alles.“

    Später in dieser Nacht träumte sie von einem Meer aus Kerzen auf verschiedenen seltsamen Unterlagen, das eine graue Wand zurückdrängte, bis diese hinter den Rand der Welt fiel und nur Blau übrigließ, Flömers Blau, in dem man alles finden konnte.

31. Sommerträumlikör
     

    Carly war von ihrem Abenteuer so müde, dass sie nicht hörte, wann Ralph nach Hause kam. Als sie lange nach der Sonne aufwachte und einen Blick zum Bett an der anderen Wand warf, sah sie dort nur einen Haarschopf unter der Decke hervorlugen. Leise schlich sie sich aus dem Zimmer.
    Das schöne Sommerendwetter hielt. Carly deckte den Frühstückstisch auf der Terrasse, indem sie aus dem Küchenfenster und wieder hinein stieg. Es war der kürzeste Weg. Sie war sich sicher, dass Henny das bis zu einem gewissen Alter auch gemacht hatte. Eigentlich durfte sie sich hier gar nicht erst dermaßen zuhause fühlen. Das würde den Abschied nur

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