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Das Meer in deinem Namen

Das Meer in deinem Namen

Titel: Das Meer in deinem Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Koelle
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sah Myra an.
    „Hennys Brautkleid, nicht wahr?“
    „Ja. Ich habe es genäht.“
    „Und sie hat es nie getragen“, sagte Carly traurig. „Wie schade.“
    „Aber sie hat es aufgehoben. Sie muss trotz allem schöne Erinnerungen damit verbunden haben.“ Synne strich ehrfürchtig über den Stoff.
    Myra nahm das Kleid und hielt es Carly an die Schultern.
    „Sag ich doch, du siehst ihr ähnlich. Es würde dir passen – und auch zu deinen Haaren und Augen.“
    „Das ist lieb, aber es besteht gerade kein Bedarf.“ Carly wurde rot. „Außerdem gehört es wohl zum Erbe. Ich werde es gut verpacken und dem Besitzer geben.“
    Sie dachte an Anna-Lisa, die von Peer und Paul so beeindruckt gewesen war. Bestimmt würden die beiden in einigen Jahren Schwiegertöchter für Thore anschleppen.
    „Sind Sie sicher, dass da oben keine Bilder sind?“, fragte Elisa Ralph.
    „Ich bin überall herumgekrochen. Das Einzige, was da noch liegt, ist das Skelett einer Schwalbe.“
    „Dann müssen wir die Suche wohl aufgeben. Wer weiß, vielleicht hat sie doch alles verkauft. An irgendeinen Touristen. Oder verbrannt. Das würde ich ihr auch zutrauen.“
    „Warum hätte sie die überhaupt verstecken sollen?“, fragte Ralph.
    „Weil sie mir eigentlich doch geglaubt hat, auch wenn sie es abstritt.“
    Alle sahen erwartungsvoll Myra an und warteten auf die Erklärung.
    „Ich habe ihr immer gesagt, Nicholas war neidisch auf ihr Talent. Er war auch gut. Sehr gut sogar. Aber ihm fehlte der magische Funke, der in Hennys Bildern lag. Er wusste, dass er immer in ihrem Schatten stehen würde. Das konnte er nicht ertragen.“
    Das also hatte Flömer mit seiner Andeutung gemeint, dachte Carly.
    „Aber nur deswegen lässt man doch nicht die Frau sitzen, die man liebt!“, rief Synne empört. „Es muss noch einen anderen Grund gegeben haben.“
    „Männer tun so etwas“, sagte Myra entschieden. „Und er war nicht nur zu feige, mit ihr zu leben, sondern auch noch zu feige, es ihr ins Gesicht zu sagen.“
    „Wie können Sie so sicher sein, dass Nicholas nicht einen ganz anderen Anlass hatte? Henny hätte doch bestimmt keinen Mann geliebt, der so ... so ...“ Carly konnte sich das nicht vorstellen.
    „… so ein charakterloser Schwächling war? Oh, Nicholas hatte auch seine Vorzüge. Ja, sie hat ihn geliebt. Und ja, das war sein Grund. Ich habe ihn zur Rede gestellt. Ich habe ihn auf dem Friedhof erwischt, vor Kurzem erst. An Hennys Grab. Er hat es zugegeben.“
    „Und? Hat er es bereut?“, fragte Elisa.
    „Was hätte das genützt? Ich habe ihn nicht gefragt. Außerdem ist er abgehauen. Wie immer.“
    „Aber Nicholas war weg. Warum hätte sie ihre Bilder jetzt noch verstecken sollen?“, fragte Ralph verständnislos.
    „Weil sie Angst hatte, mit Joram würde dasselbe passieren“, sagte Carly leise.
    „Hmpf“, machte Myra. „Sie hat sich generell zurückgezogen, weil sie befürchtete, wegen ihrer Kunst abgelehnt zu werden.“

    Später schickte Carly Ralph, der sich im Ort umsehen wollte, auf dem Fahrrad los mit der Bitte, Elisas Angebot an Thore in den Briefkasten zu stecken.
    „Es kann spät werden, Schwesterchen. Synne hat angeboten, mir allerhand zu zeigen.“
    Carly drohte ihm mit dem Finger. „Synne ist mit Orje zusammen, vergiss das nicht.“
    „Keine Sorge. Das Letzte, was ich jetzt brauche, ist eine Frau.“
    Pfeifend verschwand er. Er war wirklich nicht wiederzuerkennen. Aber so gefiel er ihr besser. Zufrieden widmete sich Carly der Aufgabe, den Dachboden wenigstens rudimentär zu putzen. Das Schwalbenskelett ließ ihr keine Ruhe. Einen solchen Zustand hatte Naurulokki nicht verdient.
    Sie fand dort oben doch noch etwas. Eine zerfledderte Zeitschrift mit einer Anleitung zum Kerzengießen, die sie mit nach unten in die Küche nahm. Um auszuruhen setzte sie sich an Hennys chaotischen Arbeitstisch und blätterte darin. Schwer klang das nicht. Und den Tisch musste sie ohnehin aufräumen. Sie begann, das herumliegende Material zu sortieren. Leere Farbdosen oder solche mit eingetrockneten Resten in den Müll. Verklebte Pinsel auch. Saubere leere Dosen auf die Seite, ebenso alte Papprollen, die als Kerzenform zu gebrauchen waren. Herumliegende Schnüre diverser Längen und Dicken identifizierte sie laut Anleitung als Dochte. Tüten mit Wachsresten, nach Farbe sortiert, fanden sich ebenso wie alte Kerzenreste, die eingeschmolzen und wiederverwendet werden konnten. Zwischen den Haufen Zeugs entdeckte Carly diverse Zangen,

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