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Das Meer in deinem Namen

Das Meer in deinem Namen

Titel: Das Meer in deinem Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Koelle
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Schmunzeln über sich selbst verstecken sich im Hintergrund. Eine weise Traurigkeit streitet sich darin mit Neugier und dem Wissen um einen ganz erdigen, lebensnahen Zauber. Ach, ich kann seine Augen nicht beschreiben! Man möge über mich lachen, aber würde Joram behaupten, ein Wichtel oder Elf aus den skandinavischen Wäldern, die er so liebt, wäre unter seinen Vorfahren gewesen: ich würde ihm glauben. Wenn ich ihm in die Augen sehe, wird alles ganz still und klar in mir und ganz. Dann bin ich zuhause. Gleichzeitig spüre ich, wie triumphierend bunt, leuchtend, groß und voller Musik das zerbrechliche Abenteuer Leben ist. Ich weiß aber ebenso, dass er nie ganz in dieser Welt heimisch sein wird. Wenn er mich küsst, ist es jedes Mal wie ein Abschied. So war es am Anfang, und so wird es immer sein. Das ist Joram, und es macht die Gegenwart umso kostbarer.“

    Behutsam brachte Carly das Blatt in das kleine Büro, suchte im Schreibtisch nach einer Klarsichthülle und steckte es hinein. Dann lehnte sie es in der Küche neben Hennys Bild. Jorams Augen auf dem kleinen Portrait sahen direkt in Carlys.
    Henny hatte also auch Jorams Anwesenheit gespürt, wenn er nicht da war. Und nun spürte sie, Carly, diese auch, und Hennys noch dazu.
    Wenn ein Fremder hier einzog – würde auch er sie wahrnehmen oder nie etwas von der stillen Gegenwart ahnen?

    Ein Telefonklingeln riss sie aus ihren Gedanken.
    „Thore!“ Verflixt. Sie brauchte nur seine Stimme hören, schlecht wie die Verbindung auch war, und schon war alles Herzklopfen wieder da.
    „Carly – ich komme dich heute Nachmittag besuchen. Ich muss sowieso in die Richtung, habe einen Vortrag in Rostock, und es gibt gute Nachrichten! So um eins müsste ich bei dir sein. Bis nachher!“
    Puuh. Typisch Thore. Carly war gar nicht zu Wort gekommen.
    Thore! Er kam her! Wie lange hatte sie ihn nicht gesehen.
    Gut, dass sie den letzten Schrank vorhin aufgeräumt hatte. Carly lief mit einem Staubtuch von Zimmer zu Zimmer, rückte hier ein Bild gerade, dort einen Stuhl, wusch das Frühstücksgeschirr ab. Eigentlich ganz präsentabel jetzt, das Haus. Es war nicht so, dass sie ihren Job nicht gemacht hatte. Im Garten wäre noch einiges zu tun, Fensterläden müssten gestrichen werden ...
    Sie trug eins von Hennys Kleidern, meerblau mit einem weißen Wellenmuster am Saum, überlegte, ob sie etwas anderes anziehen sollte. Aber warum eigentlich? Sie fühlte sich wohl, und Thore hatte nie bemerkt, was sie trug – fast nie.

    Sie stand am Tor, als er schwungvoll davor bremste.
    „Carly! Gut schaust du aus!“ Er umarmte sie herzlich. Sein Geruch war so vertraut, dass sie für einen Moment glaubte, zurück in Berlin zu sein.
    Nachdem sie mit Ralph, Daniel, Jakob und Harry zusammen gewesen war, wirkte Thore überraschend klein.
    „Lass uns erst durch den Garten gehen!“, sagte er.
    Sie stiegen den Pfad hinauf. An der Trauerbirke blieb er stehen. „Ist die gewachsen! Sie war ganz klein damals. Ich konnte gerade darunter sitzen wie unter einem Regenschirm. Es war mein Lieblingsplatz. Hier habe ich an Ostern zum ersten Mal ein Mädchen geküsst.“ Er lachte herzlich. „Ist das lange her! Aber schön war’s!“
    „Wen denn?“
    „Ein Mädel aus der Nachbarschaft. Sie wollte nach den Ferien nichts mehr von mir wissen. Ich habe ihr geschrieben und angerufen, aber keine Chance.“
    „Anscheinend hast du es gut verkraftet.“
    „Du, das hat mich schwer getroffen und eine ganze Weile beschäftigt, aber ich war sechzehn und die Welt voller Abenteuer.“ Er strahlte sie an, mit dem alten unwiderstehlichen Thore-Charme. Wie er wohl mit sechzehn gewesen war? Carly wünschte sich selbst die Konsequenz des unbekannten Mädchens.
    „Ist das alte Teleskop noch da?“
    „Ja. Es funktioniert bestens.“
    Was für Träume Hennys Likör für sie um das alte Fernrohr gewunden hatte, erwähnte sie nicht.
    Er sah sich um. „Immer noch nur weiße und blaue Blumen. Meer und Wellen, Himmel und Wolken. Henny wollte es so, und dadurch war eine besondere Ruhe und Leichtigkeit im Garten.“
    „Hast du meine Aufstellung der Bilder und Elisas Angebot bekommen?“
    „Ja. Danke, gute Arbeit! Das lohnt den Verkauf der Bilder beinahe nicht. Vielleicht kann man den Preis des Hauses steigern, wenn man es mitsamt der Kunst anbietet. Dafür ist die Liste gut.“
    „Alle denken, Henny muss irgendwo Bilder versteckt haben, weil sie immerzu gemalt hat, aber wenig verkauft. Weißt du von einem Versteck im

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