Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Meer in deinem Namen

Das Meer in deinem Namen

Titel: Das Meer in deinem Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Koelle
Vom Netzwerk:
keine Männer mag? Die gibt es noch?“
    „Ja, kennst du sie?“
    „Na ja. Nicht wirklich. Ich bin ein Mann.“
    Vielleicht hat Myra es gut, dachte Carly. Sicher war sie nie unglücklich verliebt.
    „Komm, wir nehmen den.“ Thore zog die Stühle an einem Tisch auf der Terrasse mit Meerblick heraus, im Schatten einer Heckenrose mit letzten großen Blüten, die im Wind flatterten wie Schmetterlinge.
    Thore blätterte in der Karte.
    „Was magst du trinken?“
    „Sanddornsaft bitte.“
    „Den magst du?“
    „Ja. Er schmeckt wie das Land hier.“
    „Mir war der immer zu sauer.“
    Thore bestellte sich den Hirschbraten; Carly entschied sich für die Gemüseplatte. Sie hatte keinen Appetit, schob die glasierten Möhrchen hin und her.
    „Was sind denn nun deine Neuigkeiten?“
    Thore beugte sich strahlend vor. Carly beobachtete seine vertrauten Lachfältchen und die Linien auf seiner Stirn.
    „Ja, da habe ich etwas für dich! Für uns .“
    Für uns. Es klang so bedeutungsvoll, wie er das betonte. Carly seufzte innerlich. Ja, es gab eine Art „uns“, und die war toll, aber sie wünschte sich etwas anderes. Wenn nicht mit Thore, gestand sie sich zum ersten Mal ein, dann mit jemand anderem.
    „Stell dir vor, ich habe eine Stelle für dich! Fest und sicher! Alles schon besprochen!“
    Thore lehnte sich zurück, sah sie erwartungsvoll an.
    „Wie …? Was …?“ Carly war verwirrt. An Arbeit hatte sie gerade am allerwenigsten gedacht.
    „Da staunst du, was? Bei uns an der Sternwarte! Aber du kennst mich ja, wie hartnäckig ich sein kann.“ Thore war eindeutig sehr zufrieden mit sich. Bedeutete das, dass er sie unbedingt weiter in seiner Nähe haben wollte? Oder war es nur Bequemlichkeit, weil sie so gut eingearbeitet war, seine Marotten kannte und jederzeit für ihn da war? Carly schämte sich ihrer Gedanken. Die waren ihr selbst neu.
    „Eine gut bezahlte mehrjährige Assistentenstelle. Du würdest natürlich nicht ausschließlich mir zuarbeiten, sondern auch an den Projekten der anderen beteiligt sein. Aber die kennst du ja alle. Sind doch in Ordnung, die Leute. Auf jeden Fall können wir weiter zusammenarbeiten! Gut, was?“
    Carly schluckte ihren Saft und wartete auf die Freude, die unbändig in ihr hätte hüpfen müssen. Ein fester Job! Weiter mit Thore arbeiten, ihn jeden Tag sehen. Noch vor ein paar Wochen wäre das ihr größtes Glück gewesen, das Ziel ihrer Träume.
    Aber sie spürte, dass die Freude in ihr ins Leere fiel. Sie lauschte ihr nach und hörte nur Stille.
    Die Stille auf den Boddenwiesen, die Stille am Hafen, bei Flömer – danach sehnte sie sich auf einmal.
    „Das ist ja’n Ding“, sagte sie lahm.
    „Das dachte ich mir, dass dich das überrascht. Ist schwer zu glauben, aber es gibt eben doch noch Wunder. Es gibt allerdings auch einen Haken. Du musst in einer Woche anfangen. Ich weiß, ich hatte dir vier Wochen Ostsee versprochen, aber wie es aussieht, hast du deine Angst schon überwunden. Und der Hausverkauf an den Freund-von-dem-Herrn-Schnug müsste bis dahin auch feststehen. Aufgeräumt hast du ja klasse, und vielleicht übernimmt er das meiste Mobiliar und die Bilder. Diesen Eindruck machte er jedenfalls auf mich. Wenn nicht, kann sich deine Elisa mit der Galerie darum kümmern. Also alles kein Problem, oder?“
    Carly spürte, wie sich das merkwürdige Loch in ihr vertiefte, das ihre Freude geschluckt hatte. Kopfschmerzen hatte sie auch. Eine Woche weniger Naurulokki? Und Joram? Sie würde nie erfahren, was passiert war. Sie würde wieder in Berlin sein, Grau und stickige Luft und hohe Häuser, Lärm ...“ Übelkeit stieg in ihr auf, sie konnte die Tränen kaum zurückhalten.
    „Carly, Süße, was ist? Kommt das zu überraschend?“ Er sah sie forschend an, fischte in seinem Jackett, reichte ihr ein Taschentuch. „Dir gefällt es hier, oder? Du hast dich in die Landschaft verliebt. Das passiert hier schnell.“
    Carly schnaubte heftig. Das Tuch roch vertraut nach Thore. Sie würde sich wieder an Berlin gewöhnen, sie brauchte nur etwas Zeit.
    „Selbst wenn. Hier braucht man keine Astronomen“, sagte sie.
    „Eben. Und wenn du noch mutiger bist und alles deiner Tante Alissa beichtest, dann kannst du im nächsten Urlaub wieder hierher fahren. Es gibt genug Fremdenzimmer.“
    Fremdenzimmer! Wie das klang! Sie fühlte sich nicht fremd hier. Von Anfang an nicht. Es war, als gehörte sie hierhin, als hätte sie dieses schmale Stück Land immer schon gekannt.

    Thore bestellte

Weitere Kostenlose Bücher