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Das Meer in deinem Namen

Das Meer in deinem Namen

Titel: Das Meer in deinem Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Koelle
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wach. Im klaren Herbstmorgenlicht zeigte Carly ihrer Tante das Haus in allen Einzelheiten. Tante Alissa strich anerkennend über die Holzgans, setzte sich an den Schreibtisch, stand eine Weile vor Hennys Bildern im Schlafzimmer, lauschte dem Wind im Reetdach. Im Garten sah sie sich anerkennend um.
    „Blau und Weiß, das strahlt Ruhe aus, Frische, Leichtigkeit. Eine gute Idee. Weißt du, deine Henny ist mir auch sympathisch. Aber jetzt muss ich aufbrechen.“
    Myra winkte schon vom Tor her.
    „Es kann losgehen!“
    Carly wollte ihre Tante am liebsten festhalten.
    „Danke für alles! Es war so toll, dass du hier warst.“

    Nachdem Myras altersschwaches Auto hustend um die Ecke verschwunden war, ging Carly allein durch den Garten. In allen Winkeln glitzerten Spinnweben feinsilbern wie die Segel des Bernsteinschiffs. Ebenso aus allen Winkeln blickte Carly Abschiedsschmerz entgegen. Sie hatte nur noch so wenig Zeit auf Naurulokki! Wenn der Käufer unterschrieben hatte, musste sie die letzten Sachen aus Hennys Zimmer holen, den Karton mit Briefen und Notizen, Bücher, etwas Schmuck und andere Dinge. Das würde wehtun. Was die einsame Frau aus Treibholz auf der Fensterbank dann wohl denken musste? Nun würde sie noch einsamer sein, und wer weiß, wohin Elisa sie verkaufte. Womöglich in eine Stadt.

    Um eine Bleibe musste Carly sich auch dringend kümmern.
    „Notfalls pennst du ein paar Nächte auf meinem Sofa“, hatte Synne angeboten.
    Was aus Joram geworden war, wusste sie immer noch nicht. Er war verloren irgendwo in der Zeit, allein. Carly war den Tränen nahe, schalt sich eine Heulsuse. Das nützte doch alles nichts. Am besten fuhr sie jetzt zu Harry und kümmerte sich um Herrn Großklaus’ Seehunde.
    Das tat sie, und zu ihrer und Harrys Erleichterung gelang ihr dieses Mal die Auftragsarbeit. Harry machte sofort Fotos und schickte sie an den ungeduldigen Kunden.

    „Carlotta!“
    Myra schoss aus ihrem Gartentor, als Carly gerade das von Naurulokki öffnen wollte.
    „Deine Tante hat den Zug erwischt. Und hier, das ist für dich. Habe ich gerade gebacken. Sanddorn-Muffins.“ Sie drückte Carly einen dampfenden Teller in die Hand.
    „Mmmh, das duftet aber. Danke, Frau Webelhuth!“
    „Na, da deine Tante und ich uns duzen, sollten wir das auch tun. Tschüss, mir brennt was an!“

    Carly schloss das Tor hinter sich. Jorams Treibholztor. Ach, wie vertraut das alles in der kurzen Zeit geworden war! Warum nur hatte sie das Gefühl, dass ihre Seele hier zuhause war, und nur hier? Das war albern. Noch vor ein paar Wochen hatte sie noch nicht einmal von der Existenz dieser schmalen Halbinsel gewusst.
    Gedankenverloren stieg sie den Pfad hinauf und biss dabei in einen heißen Muffin. Verdammt gut! Er hatte einen flüssigen Kern aus warmer Sanddornmarmelade, schmeckte würzig und bittersüß wie der Herbstwind vom Meer her und wie ihre Stimmung.
    In den Abendwind und ihre Traurigkeit mischten sich Töne, vertraute Töne, genau wie sie es vor vielen Jahren getan hatten, als sie um einen Freund trauerte.

    „Sweet Caroline ...“
    Die Melodie rollte durch die Dämmerung den Hügel herab, an den ihr liebgewordenen weißen Dolden der wilden Möhre vorbei, die wie Sterne auf der dunklen Wiese leuchteten, direkt vor Carlys Füße.
    „Orje?“
    Die Musik brach ab. Zögernd kam er hinter dem Holzzaun der Terrasse vor, ging ihr langsam entgegen. Aus seiner Haltung sprach das pure schlechte Gewissen.
    „Orje!“
    Carly stellte die Muffins ins Gras und sprintete auf ihn zu, sprang ihn an, warf ihn rücklings ins feuchte Gras. Sie setzte sich auf ihn und boxte ihn in die Rippen.
    Jetzt, da er Synne hatte und alles zwischen ihnen geklärt war, jetzt ging so was. Es fühlte sich wunderbar an, ebenso wie die gelüfteten Geheimnisse zwischen Tante Alissa und ihr, das neue Wissen um ihr Talent und die Entscheidung, nicht nach Berlin zurückzugehen. In dem Tempo, wie sich gerade Probleme lösten und von ihren Schultern fielen, war es ein Wunder, dass sie vor Leichtigkeit nicht davonflog. So gesehen war es ein Glück, dass der Abschied von Naurulokki schwer genug wog um sie am Boden zu halten.
    „Du Schuft hast mich verraten!“
    „Es tut mir leid. Es tut mir so leid. Ich hätte Tante Alissa den Link niemals schicken dürfen.“
    Da mogelte sich ein letzter Strahl der sinkenden Sonne noch einmal zwischen den Wolken hervor, fiel Carly ins Gesicht und er sah, dass sie lachte. Er setzte sich auf.
    „Carly! Du bist mir nicht

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