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Das Meer in deinem Namen

Das Meer in deinem Namen

Titel: Das Meer in deinem Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Koelle
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wenn die Zeit gekommen ist.’
    ‚Und was soll ich mit diesen Schiffen machen?’, habe ich gefragt.
    ‚Sie werden ihren Weg selbst finden’, antwortete er.
    ‚Und wenn ich sie nicht mache?’
    Da war er fort. Von einem Augenblick zum anderen, verschwunden. Ich bin nach Hause gegangen und habe einen Kaffee und einen Schnaps getrunken und wollte alles vergessen. Aber ich konnte die Bernsteine hin und her drehen, egal wie, sie sahen aus wie die Rümpfe dreier Schiffe. Es ließ mir keine Ruhe, bis sie fertig waren.“

    Die Sonne war gewandert und beleuchtete jetzt das dunklere Schiffchen. Ob man die drei überhaupt trennen durfte? Der Sonnenstrahl brachte Henny eine Erleuchtung.
    „Da sie dir so unheimlich sind, bist du sicher froh, wenn du sie los bist. Wenn ich sie alle drei nehme, bekomme ich doch Rabatt?“
    Oskar zog verblüfft an seiner Pfeife, aber sie wusste, jetzt hatte sie ihn an der Angel.
    „Henny! Wo bleibst du?“ Nicholas’ Ruf schwappte über die Düne wie eine unsichtbare Welle.
    Sie spürte das aufregende Kribbeln in ihr aufsteigen, das seine Stimme stets in ihr auslöste, ähnlich wie das kühle Wasser, wenn das Jahr frisch und neu war und sie das erste Mal nach dem Winter die Schuhe auszog und an den Wellenrändern entlang lief.
    „Ich komme!“
    Sorgfältig verstaute sie das Päckchen in ihrer Rocktasche, ihre Geldbörse in der anderen. Eine Handtasche wollte sie sich nicht angewöhnen, so sehr ihre Großmutter auch schimpfte. Da sie sich die Kleider selbst nähte, konnte sie die Taschen so groß machen, wie sie wollte.
    „Wiedersehen Oskar, und noch gute Geschäfte!“
    „Erzähl das bloß nicht weiter ... du weißt schon!“, rief er ihr nach.
    „Klar, Oskar!“
    Aber sie nahm sich vor, Oskars Frau bei Gelegenheit zu fragen, was Oskar denn so in seinen Grog mischte. Vielleicht sollten sie den bei der Hochzeit servieren, das konnte lustig werden.
    Den Gedanken an die unsichtbare Hand, die sie auf ihrer Schulter gespürt hatte, schob sie beiseite.

    Nicholas stand am Flutsaum, die Hände in den Taschen seines Trenchcoats vergraben, und sah ihr ungeduldig entgegen. Henny lehnte sich an ihn.
    „Du bist immer so verfroren. Es ist doch Frühling!“
    Sie trug keine Jacke und fand den Wind sanft. Warum wirkte Nicholas, der größer und älter war als sie, nur immer so zerbrechlich?
    „In einem warmen Land müssten wir leben“, sagte er, den Blick auf den Horizont gerichtet, „mit Palmen.“
    „Ärgerst du dich immer noch über den Kursleiter?“
    „Dich lobt er ja nur.“
    „Ich habe bei dem Thema gar nicht erst versucht, Schatten zu zeichnen. Sag, wollen wir bei unserer Hochzeit Grog anbieten?“
    „Grog? Im Juli?“
    „Naja. Wo ist Myra, ich hab was für euch!“
    Nicholas wies Richtung Leuchtturm. Myra hockte mit Liv im Sand und baute ihr eine Burg. Der Wind hob Myras kurzen Petticoat und ließ sie auf ihren langen Beinen wie eine umgestülpte Tulpenblüte aussehen. Liv schüttete sich aus vor Lachen, aber Myra störte das nicht.
    „Komm!“ Henny zog Nicholas in die Richtung des Lachens. Was hätte sie nur in den Kriegsjahren und danach ohne Myra gemacht? Myra, die ihr eine große Schwester gewesen war, die immer irgendwo Lebensmittel nicht nur für ihre eigene Familie, sondern auch für Henny und ihre Großeltern aufgetrieben hatte, Myra, die ewig Praktische, die nichts wirklich ernst nahm und in jeder Situation Grund für Heiterkeit fand oder Anlass für eine trockene Ironie, die alles leichter machte.
    „Kaum zu glauben, dass Liv schon sieben ist“, sagte Nicholas. „Myra hätte diesen Arzt aus Berlin heiraten sollen, der ihr damals in der Sturmnacht geholfen hat, Liv zur Welt zu bringen. Vielleicht würde sie dann jetzt nicht in diesen unmöglichen Röcken herumrennen.“
    „Spießer. Ja, der Arzt war nett. Immerhin hat sie ihn zu Livs Patenonkel gemacht. Aber er hatte eine Verlobte in Berlin, das weißt du doch. Außerdem ist er nicht Livs Vater.“
    „Erzeuger, meinst du. Glaubst du, dass dieser dänische Kapitän irgendwann wiederkommt? Kann deine Tante in Dänemark nicht nach ihm suchen? Oder unser Freund Flömer?“
    „Meine Tante eignet sich nicht zum Detektiv und Flömer mischt sich nie ein. Und Myra kennt von dem Kapitän nur den Vornamen. Der war doch damals bloß wegen der Schwarzmarktgeschäfte hier. Das war eine kurze Affäre, keine Liebe. Myra ist eben gründlich. Statt wie andere Lebensmittel einzutauschen, hat sie für ihren Bernstein Liv

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