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Das Meer in Gold und Grau

Das Meer in Gold und Grau

Titel: Das Meer in Gold und Grau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Peters
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des Schwalbennests fast zur Gänze verstelle, ursprünglich aus einem ligurischen Gutshaus stamme und wie das Bett schon über hundert Jahre alt sei. »Wir haben einige alte Stücke aufgestellt. Wenn du möchtest, können wir nach dem Frühstück einen Rundgang durchs Haus machen und dir alles zeigen.«
    Ich fragte mich, ob das wir wohl auch die Tante einbezog, und wusste nicht, was ich mir wünschen sollte.
    Â»Danach mache ich mich dann aber wieder auf den Weg«, sagte ich, in der Zuversicht, auf Widerspruch zu stoßen und mindestens noch ein oder zwei Mahlzeiten zu bekommen.
    Â»Willst du schon fort? Ich dachte …« Elisabeth sah mich so freundlich an, dass ich das Schicksal verfluchte, das mit der Auswahl der Schwester meines Vaters so knapp daneben getroffen hatte: Bei Elisabeth hätte ich sofort um Wohnung und Brot für die nächsten Tage gebeten, sie brachte mich kein bisschen aus der Fassung.
    Â»Ich bin bereits die ganze Nacht hier und möchte Ihre Gastfreundschaft nicht über die Maßen strapazieren.«
    Â»Unsinn! Du kannst noch bleiben, wenn du möchtest. Nicht wahr, Ruthi? Katia kann doch noch bleiben? Platz haben wir ja.«
    Ich sah fragend zu Ruth hin.
    Â»Sie wird möglicherweise Besseres zu tun haben, als das Wochenende bei saumäßigem Wetter in einem mit Katzen, Büchern und alten Leuten bevölkerten Hotel zu verbringen«, murmelte es hinter der Zeitung.
    Ich zuckte zusammen.
    Â»Musst du an diesem Wochenende noch woanders hin?«,
fragte Elisabeth, ohne Ruths Worte weiter zu beachten. Ich fühlte nach dem Zimmerschlüssel in meiner Tasche, dachte an Manus belegtes Gästezimmer, ein Empfehlungsschreiben für potentielle neue Arbeitgeber, das ich mir aus dem Kopf schlagen konnte, das ausklappbare Sofa in der neuen Wohnung meines Vaters und murmelte: »Nicht unbedingt.«
    Â»Dann bleib doch. Wenn du möchtest. Wir machen natürlich einen Familienpreis.«
    Â»Lizzy!«, tönte es streng hinter dem Tagblatt hervor.
    Ich versuchte den Eindruck ernsthafter Überlegung zu vermitteln, sah gerade noch rechtzeitig von der blödsinnigen Aussage ab, in meinen Terminkalender schauen zu müssen, verzögerte die Antwort durch das Anheben der Kaffeetasse und stellte mir so die Falle selbst. Elisabeth schob einen Satz nach:
    Â»Was machst du eigentlich beruflich?«
    An sich eine gewöhnliche Frage. Sie zeigt höfliches Interesse am Gegenüber. Ungünstig nur, dass ich nicht vorbereitet war.
    Â»Ich?«
    Elisabeth nickte.
    Die Zeitung senkte sich.
    Unten am Strand rannte ein hellbeiger Hund von beachtlicher Größe vorbei, unter seinen Pfoten spritzte das Wasser, durchnässte am Bauch sein Fell. Das Tier würde stinken wie die Pest, wenn es nachhause käme, dachte ich und wünschte, es würde hier zur Tür hereinstürmen, einen Mordswirbel veranstalten und die Frage vergessen machen. Ich nahm einen weiteren Schluck Kaffee, wusste, dass ich jetzt unmöglich die spektakuläre Aussicht bewundern konnte.
    Â»Nun?« Die Damen erwarteten eine Antwort.
    Jetzt klang die Tante doch ein klein wenig nach ihrem Halbbruder.

    Ich sagte: »Streng genommen bin ich Erzieherin im Familiendienst.«
    Â»Ah!«, sagte Elisabeth.
    Ruth schob sich die Brille von der Nasenwurzel und fragte: »Was heißt ›streng genommen‹?«
    Jetzt würden sie kommen, die Fragen, die ich hatte umgehen wollen. Keine Nichte lieferbar, auf die man als Tante stolz sein konnte, dachte ich und sagte: »Aktuell bin ich es eher nicht.«
    Ruth seufzte »wusste ich’s doch«, faltete umständlich die Zeitung, reichte sie Elisabeth und begann sich in aller Ruhe Honig auf eine Scheibe Schwarzbrot zu schmieren. Sie besah ihr Werk, fuhr mit dem Finger die Rinde entlang, steckte ihn mit einem Schmatzen in den Mund.
    Â»Entlassen oder gekündigt?«
    Â»Gefeuert.«
    Sie hob die Augenbrauen, ich setzte nach: »Fristlos!«
    Ruth nickte langsam. »Verstehe. Schuldig oder nicht schuldig?«
    Â»Schuldig.«
    Ein winziger klebriger Tropfen hing an ihrer Oberlippe, die sich zu der Andeutung eines Lächelns kräuselte.
    Â»Dann hast du ja Zeit.«
    Sie biss in ihr Honigbrot, kaute, schob mir ihre Tasse entgegen, ich goss ihr ein.
    Â»Und so saumäßig sieht das Wetter gar nicht aus, stimmt’s?«
    Ein Krümel landete vor ihr auf dem Tischtuch, sie fegte ihn mit der

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