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Das Meer in Gold und Grau

Das Meer in Gold und Grau

Titel: Das Meer in Gold und Grau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Peters
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zehn. Später geht auch. Hast du was gegen Katzen?«
    Â»Im Gegenteil, mag ich sehr.«
    Â»Diese bestimmt nicht. Mach ihr auf, wenn sie an der Tür kratzt, sonst lässt sie dir keine Ruhe.«
    Ich nickte: »Danke!«
    Â»Nichts zu danken. Willkommen im Palau.«
    Sie entfernte sich, schwang einen Arm über ihrem Kopf. »Ich schaue noch mal, wie’s draußen aussieht, und gehe dann schlafen. Gute Nacht allerseits.«
    Elisabeth sprang auf. »Warte, ich gehe mit.«
    Ich blieb sitzen, besah mir den Schlüsselanhänger: SCHWALBENNEST, poliertes Messing mit schwarzen Großbuchstaben geprägt, es las sich nett und beruhigend für die Nacht. Ania strahlte mich an, und Heinrich lallte: »Willkommen, willkommen!«
    Â 
    Wäre mir Ruth besser bekannt gewesen, hätte ich zu diesem Zeitpunkt schon ahnen können, dass sie mich nicht mehr so schnell vor die Tür setzen würde, nicht am nächsten Morgen
und auch sonst nicht, dass ich bleiben konnte, solange es für irgendetwas taugte, sei es für mich oder den Betrieb. Ich war geduldet, fraglos und mit der gleichen Selbstverständlichkeit, mit der man mich dann auch zum Arbeiten heranzog. Daran konnte keine Auseinandersetzung etwas ändern, was zu kapieren ich eine Weile brauchte. Ich galt fortan als »reingeweht und hängen geblieben«, wie die Katzen oder wie die anderen Dauerbewohner, deren Altersvorgabe ich zwar nicht erfüllte, aber anscheinend irgendetwas anderes. Den Grad der Verlorenheit, dachte ich anfangs. Aber verloren war ich ja offenkundig gar nicht und die Alten noch viel weniger. Ausführliche Beschreibungen der eigenen Gefühlslage fand Ruth ohnehin überflüssig. Ich war halt da, Katia, eine Verwandte, die eine Bleibe benötigte, Punkt. Dass ich mich von Anfang an ins Gesamtgefüge einzupassen versuchte, helfen wollte und nach Ruths Meinung in Maßen lernfähig war, machte mich zuweilen sogar wertvoll für das Ganze, auch wenn sie das nur einmal zugegeben hat. Vielleicht hatte sie mich wirklich gern. Meine gelegentlichen Lohnforderungen fand sie überzogen. »Such dir eine ordentliche Anstellung mit Arbeitsvertrag, stell dich auf eigene Füße, und tritt der Gewerkschaft bei, wenn du mehr Geld willst.«
    Aber gezahlt hat sie schließlich doch immer.
    Mir ist es bei ihr gut gegangen.
    Gestrandet in Palau, kein Topf mit Gold am Ende des Regenbogens, keine Palmen, keine Perlen, kein Azur, aber ziemlich viel anderes, das etwas wert war.
    Â 
    Von nun an getrauten sich die Räuber nicht weiter in das Haus, den vier Bremer Musikanten gefiel’s aber so wohl darin, dass sie nicht wieder heraus wollten.

    Meine Bettlektüre am ersten Abend.
    Frank und ich haben uns später darüber lustig gemacht: Von allen möglichen Büchern, die in der Kajüte herumlagen, griff ich ausgerechnet dieses. Ruths Theorie entsprechend hatte die Geschichte mich gegriffen, nicht umgekehrt. Man durfte die Bücher von unten mit aufs Zimmer nehmen und die vom Zimmer mit runter, das war ausdrücklich erwünscht. Durch das Umherwandern der Bücher sollte jederzeit eines unerwartet entdeckt, weiter herumgetragen und neu gelesen werden können. Das palausche Bücherkarussell war Ruths Erfindung: Leseeinladung durch Überraschungsfund. Ich fand Ruths Lesepädagogik etwas verschroben, muss allerdings zugeben, dass sie bei mir funktioniert hat.
    Auf dem Etagenwagen stand ein Korb, der zwecks Büchertransport sauber zu halten und mit einem Küchentuch auszulegen war, und dem Gast konnte es geschehen, dass er bei seiner Rückkehr aufs Zimmer neben der erneuerten Flasche Hella Mineralbrunnen und dem aufgefüllten Körbchen Holsteiner Äpfel einen Band mit Rilke-Gedichten, den Schimmelreiter oder Asterix bei den Belgiern fand, je nachdem. »Ausgewogene Mischkost ist gesund und erhält die Leistungsfähigkeit!« Dazu ein gebogener Zeigefinger, mit dem sie sich grinsend an die Schläfe tippte. Ruths Auswahl war streng, ihre Kriterien undurchschaubar. Empfehlungen wurden gern entgegengenommen, soweit sie nach Ruths Ansicht begründet waren und in ihr Konzept passten, das keiner außer Ruth jemals verstanden hat. Sie war die Herrin der Bücher, daran gab es keinen Zweifel. Ließ ein Gast bei der Abreise kommentarlos seine mitgebrachte Strandlektüre in freigebiger Absicht zurück, womöglich gar ein Taschenbuch, konnte dieses schneller im

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