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Das Meer in Gold und Grau

Das Meer in Gold und Grau

Titel: Das Meer in Gold und Grau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Peters
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Handkante weg und grinste mich an. Das war der Moment, in dem ich anfing, Ruth Schuhmann zu mögen.
    Â 
    Zur dritt machten wir uns auf den Weg durchs Hotel. Zwölf Gästezimmer, das Schwalbennest mitgerechnet. Mein Vater
hätte die Einrichtung individuell genannt. Manu sagte später, ihr sei das »ein bisschen zu old school«, mir gefiel es: Überall Bücher, Mobiliar aus diversen Häusern und Zeiten, darunter durchaus kostbar wirkende Teile, antike Kommoden in unterschiedlichen Erhaltungszuständen, Couchtischchen mit Intarsien, kleine Vitrinen mit Figurinen aus Elfenbein und Porzellan, die ich als Nippes abtat, bis Elisabeth erwähnte, was ihr Gatte bei einer Auktion für die kleine Flötenspielerin in Zimmer sechs hingelegt hatte. Teppiche in allen Größen und Farben lagen auf den Böden, manche überlappend und augenscheinlich keiner von Ikea. Man hätte meinen können, ein ziemliches Durcheinander, aber das war es ganz und gar nicht. Vielleicht passte im herkömmlichen Sinn nichts zum anderen, aber trotzdem ergab sich ein harmonisches Ganzes. Selbst wenn um einen Tisch vier verschiedene Stühle standen, bildeten sie ein Ensemble, das miteinander spielte, ohne dass einer den anderen störte, im Gegenteil, sie werteten einander auf in einer Weise, die ich nicht erklären konnte. Für mich war einfach stimmig, was da zusammengestellt worden war. Jemand, der geheime Zusammenhänge jenseits der Regeln sah, hatte hier seine Aufmerksamkeit hineingesteckt. Geld war auch geflossen, und das nicht zu knapp.
    Sie führten mich herum, die Damen des Hauses, und es machte ihnen Spaß. Elisabeth stellte die Zimmer vor, erläuterte Herkunft und Alter einzelner Möbelstücke, wies auf Ölgemälde, luftige Aquarelle oder Kupferstiche mit Meeresgetier hin, scheuchte herumlungernde Katzen auf und erzählte von prominenten Gästen, die in diesem oder jenem Zimmer gewohnt hatten. Ruth brummte Kommentare bei jeder Erwähnung eines bekannten Namens, der mir dann, wie alle vorherigen, nichts sagte, lächelte aber erfreut, wenn ich Details
der Einrichtung bewunderte oder versicherte, wirklich noch mehr vom Gebäude sehen zu wollen, auch den Schuhputzraum, na klar.
    Die Sommersuite, wie sie sie nannten, war ihr ganzer Stolz: zwei Zimmer, eigenes Wannenbad plus Duschkabine, Panoramafenster und der Eichenschreibtisch des seligen Freiherrn, den dieser bereits von seinem Vater übernommen hatte. Elisabeth sagte, sie sei unter anderem auch deshalb froh darüber, unter die Hoteliers gegangen zu ein, weil dank dieser Tatsache die meisten ihrer Familienerbstücke einen guten Platz gefunden hätten. So könne sie weiter mit ihnen zusammenleben und brauche das Band nicht ganz zu zerreißen. Ich fragte mich, was das bedeutete, zumal Ruth bei dieser Aussage ärgerlich den Mund verzog, wollte aber nicht neugierig wirken.
    Â 
    Schwere, bodenlange Samtvorhänge in den meisten Zimmern, leicht entflammbar, wie mir beim ersten Rundgang schon versichert worden war. »Mit der Kerze nie in die Nähe der Vorhänge kommen!«, wurde ich wie jeder Gast bei der Anreise ermahnt; Feuerlöscher hingen gut sichtbar in allen Fluren, Brandmelder in jeder Etage. »Eher zur Beruhigung«, sagte Frank, als er mir einmal beim Aufhängen der Gardinen half. »Wenn es hier erst mal brennt, fackelt das alte Haus total ab, egal wie nah es am Wasser steht.« Feuer war das Einzige, wovor Ruth sich wirklich gefürchtet hat. Erschien ein Gast ihr zu hinfällig, waren das Erste, was sie konfiszierte, die Zimmerkerze und die Streichhölzer.
    Â 
    Im zweiten Stock trafen wir in der offen stehenden Tür von Zimmer elf auf Ania und Heinrich, denen Ruth erklärte, dass wir eine Besichtigungstour machten. Ania kniff mir in die
Wange, dass es schmerzte. Ihre Frage, ob ich mich schon eingelebt hätte, brachte mich in Verlegenheit: Jemand, der sich einlebte, verließ sich darauf, bleiben zu dürfen, wozu mir meiner Ansicht nach die Berechtigung fehlte. Ich konnte nicht wissen, dass die Wintermannschaft bereits davon ausging, mich für eine Weile zu beherbergen. Anstelle einer Antwort lächelte ich und fragte, ob jemand von ihnen etwas mit Palau zu schaffen habe, der Südseeinsel, und warum das Haus so genannt worden sei. Es funktionierte.
    Â»Ah! Palau! Das ist der Titel eines Gedichts.«
    Elisabeth begann zu rezitieren, blieb hängen, bat Ruth zu

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