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Das Meer in Gold und Grau

Das Meer in Gold und Grau

Titel: Das Meer in Gold und Grau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Peters
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helfen, bekam bloß ein Brummen zu hören und erzählte dann von der Namensfindung für das Strandhotel an einem weinseligen Abend im Sommer dreiundsiebzig, den sie und Ruth im Strandkorb mit dem Schmieden von Plänen verbracht hatten. Da sei ihnen dieses Gedicht aus einem Buch, das Ruth mit sich herumgetragen hatte, quasi entgegengesprungen, sie hätten viele Gedichte gelesen in dieser Zeit, aber bei diesem hätten sie beide gleich gewusst, dass es den einzigen Namen für das Haus enthalte, der in Frage komme: Palau! Was man bei diesem einen Wort alles vor sich sehe: weite Ferne, einen paradiesischen Sehnsuchtsort, das reine blaue Meer! Elisabeth hatte sich ins Schwärmen geredet. Ruth grinste und kommentierte nach mehrfacher Aufforderung, doch auch mal etwas beizutragen, irgendwie habe der Laden halt heißen müssen, und damit habe man sich wenigstens von dem üblichen »Meeresblick«, »Kiek in de See« oder »Landhaus Steilküste« abgehoben. Dann ließ sie sich nach weiterem Drängen plötzlich doch dazu herab, das Gedicht in ganzer Länge zu rezitieren:
    Â»Rot ist der Abend auf der Insel von Palau und die Schatten sinken …«

    Ein festes Staccato, jedes Wort betont, fast schon in die Nähe zum Gesang gesprochen, ich hörte »Totenuhren«, hörte »Zermalmung«, hörte »Charonsgeld«, verstand überhaupt nichts und war ziemlich überwältigt.
    Â»Eukalyptenschimmer
    hebt in Runen aus Dämmer und Tau:
    niemals und immer.«
    Sie setzte kurz ab, lächelte verlegen, schüttelte Kopf und Schultern, »Alles Quatsch!« Die Runde lachte, ich mit, obwohl ich den Beiklang ihrer Stimme gar nicht lustig fand.
    Wir gingen weiter, während Anias Befehlston, mit dem sie erklärte, der Herr Doktor Gräter dürfe seine Wäsche ruhig auch einmal selbst in den Keller bringen, allmählich hinter uns verklang. Ruth lief stumm vor mir und Elisabeth her. Den Kopf leicht gesenkt, wirkte sie von hinten plötzlich düster und abweisend, ihre heitere Gelassenheit wie weggeblasen.
    Ich sagte: »Wirklich: ein hübsches kleines Hotel!«
    Ruth blieb stehen und drehte sich zu mir um. »So klein auch wieder nicht.«
    Â»Nein«, beeilte ich mich zu versichern, »groß genug für eine Menge harter Arbeit, stelle ich mir vor. Seid ihr beide denn für alles allein verantwortlich? Der ganze Organisationskram, die Belegungs- und Küchenpläne, wie schafft ihr das alles noch?«
    Elisabeth sah mich mit ihren blauen Augen an, die etwas größer wurden.
    Â»Was soll denn das heißen?«, schnauzte Ruth und stemmte die Arme in die Seite.
    Â»Ich meine ja nur …«
    Ruth fuhr mir dazwischen: »Was, du meinst nur? Dass zwei alte Schachteln wie wir nicht in der Lage sind, einen Betrieb
zu organisieren? Dass da mal Jüngere ranmüssen, weil wir es nicht mehr bringen?«
    Â»Ruth, bitte.« Elisabeth hatte ihr die Hand auf den Arm gelegt, strich sanft darüber. »Das hat sie doch gar nicht gesagt.«
    Â»Aber gedacht hat sie’s!«
    Â»Auf keinen Fall«, stammelte ich, »ich habe nur fragen wollen, ob … also … einfach aus Interesse, weil …«
    Ruth fauchte etwas Unverständliches, wandte sich wieder von mir ab. Was stellt sie sich so an, dachte ich, bis eben war doch noch alles in Ordnung. Man durfte sich doch wohl fragen, wie das funktionierte, wenn in einem Betrieb, der nicht als Sozialprojekt gedacht war, sondern auf Gewinn und Lebensunterhalt angelegt, sämtliche Verantwortlichen die Schwelle zum Rentenalter bereits hinter sich hatten. Ich versuchte es noch einmal: »Die ganzen Zimmer und das Restaurant … Es ist doch wirklich viel zu tun hier … Was man da alles bedenken muss, quasi Tag und Nacht …« Ich verhaspelte mich heillos.
    Ruth wollte erneut aufbrausen, aber Elisabeth hielt sie zurück. »Lass doch.«
    Â»Ist eh wurscht.« Sie vergrub ihre Hände in den Hosentaschen, wie um sie davon abzuhalten, eine weitere wegwerfende Bewegung zu machen.
    Ratlos wollte ich etwas Versöhnliches von mir geben, mir fiel aber nichts ein, Ruth würde es ja doch missverstehen. Ich hielt ihr meine Zigarettenpackung hin, sie schüttelte heftig den Kopf. »Geraucht wird nur in der Kajüte oder in der Bibliothek! Merk dir das!«
    Ich nickte betreten, fühlte mich wesentlich jünger, als mein Pass von mir

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