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Das Meer in Gold und Grau

Das Meer in Gold und Grau

Titel: Das Meer in Gold und Grau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Peters
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behauptete, und kapierte nicht ganz, welches Vergehen ich mir hatte zuschulden kommen lassen.
    Â»Hier haben wir sie auch schon, die Bibliothek.«

    Elisabeth hatte mich eilig mit sich gezogen, öffnete jetzt eine Flügeltür und wies mit dem Arm in einen Raum mit kleinen Fenstern zum Deich hin, der bis auf ein Klavier rundum mit Bücherregalen vollgestellt war. In der Mitte standen Ledersessel um kleine Tische mit Marmorplatten, geziert von gläsernen Aschenbechern in beachtlicher Größe. Der Geruch von kaltem Rauch stand in der Luft. Elisabeth trat zum Fenster, öffnete es weit. »Die Sonne könnte sich halten«, sagte sie und beugte sich über die Brüstung. »Das wird ein freundlicher Tag. Nicht so wie gestern.«
    Â»Ich mochte den Sturm ganz gern.«
    Sie sah mich fragend an.
    Â»Ich fand es romantisch.«
    Etwas Nettes hatte ich sagen wollen, weiter nichts, damit sie nicht auch noch denken würden, ich hätte eine schlechte Nacht gehabt oder so.
    Elisabeth zuckte mit den Schultern. »Nun«, sagte sie etwas spitz, »was für dich romantisch gewesen sein mag, wird uns an die fünftausend Euro kosten.« Sie strich einen Finger Staub vom Fensterbrett.
    Â»Oh! Entschuldigung.«
    Â»Wieso, du kannst ja nichts dafür.«
    Ich sah mir die Buchrücken an, schöne gebundene Ausgaben wie die anderen, die in der Kajüte herumlagen, viele in braunem Leder mit Goldprägung. Gern hätte ich etwas zu einem Werk bemerkt, das ich kannte, blieb dann doch lieber still, als mir einfiel, dass es in dem Roman, der vor mir lag, um eine junge Frau geht, die feststellen muss, dass der Mann, der neben ihr am Traualtar steht, beabsichtigt, ein Bigamist zu werden. Vielleicht kein geeignetes Thema zu Entspannung der Lage, auch das zwangsläufige Stichwort Gouvernante wäre nicht in
meinem Sinne gewesen. Dabei hätten wir uns womöglich bei englischen Frauenromanen des neunzehnten Jahrhunderts zusammenfinden können, Papa inclusive, aber das zu sagen traute ich mich noch weniger.
    Â»Die kleine Tür dort führt zum Fernsehzimmer. Wenn du dir mal etwas ansehen möchtest, kannst du das gerne tun. Wir haben auch einen Videorekorder.«
    Ich bekundete mein Interesse am Fernsehraum und verkniff mir die Frage, warum ich auf keinem der besichtigten Zimmer einen Bildschirm entdeckt hatte. War so etwas nicht Standard in Hotels? Egal, Elisabeths Worte klangen so, als ginge sie nicht davon aus, dass ich nach dem Rundgang sofort abreise, das war alles, was mich für den Moment interessierte.
    Â»Sieht sehr gemütlich aus.« Ein kleiner Raum mit zwei Sofas, drei Sesseln und einem Ungetüm von Fernseher, der in anderen Häusern ebenfalls zu den Ruheständlern zählen würde. Seitlich davon stand ein gedrechseltes kleines Regal mit einer Reihe Videos, Der Hauptmann von Köpenick, Tod in Venedig, Im Westen nichts Neues, Die Buddenbrooks.
    Â»Meinen Vornamen verdanke ich übrigens der Vorliebe meines Vaters für Thomas …« Als ich mich zu Ruth umwandte, war sie nicht mehr zu sehen.
    Â»Es gibt Tage, an denen ist es schwieriger als an anderen.« Ich hatte keinen Schimmer, was Elisabeth mir damit sagen wollte.
    Â 
    Es ist so eine Sache mit der Erinnerung: Vieles verschiebt sich, ändert die Farbe, verdreht die Gedanken, überlagert sie wie ein Teppich, die Muster wechseln, mischen sich, verlieren ihre Struktur und führen in die Irre. So lange ich an das Bild glaube, das mir gerade im Kopf umhergeht, komme ich mir wenigstens
nicht selbst in die Quere, aber auch das kann ein Trugschluss sein. Es war nicht immer so, wie ich es jetzt denke, und es wird später wieder anders gewesen sein.
    Â»Erzähl!« Eines meiner Lieblingsworte.
    Manchmal sehe ich sie vor mir, sonntags, in Sommernächten, wenn es draußen zu dämmern anfängt und die Lichter langsam angehen: Sie sitzen in der Kajüte, der letzte Gast ist auf dem Zimmer verschwunden, die Tische sind abgewischt, das Geschirr sauber verstaut, das Frühstückszimmer hergerichtet, das Rauchverbot aufgehoben. Am Tisch in der Ecke werden die Stühle nicht hochgestellt, die Kerze angelassen. Die Hausmannschaft, einer nach dem anderen, kommt, nimmt Platz, streckt die Füße von sich. Heinrich stopft die Pfeife, Sergej bringt Reste aus der Küche mit. »Katia, Kleines, mach mal einen Schoppen für jeden.« Ich hole Gläser und Flaschen, Krüge,

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