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Das Meer in Gold und Grau

Das Meer in Gold und Grau

Titel: Das Meer in Gold und Grau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Peters
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denn die Tante störte sich weder an meiner Anwesenheit noch an meiner moralisch fragwürdigen Vorgeschichte, und einen knappen Kilometer von uns entfernt rumorten die anderen Gestalten in diesem komischen kleinen Hotel herum, das ein Schwalbennest unter dem Dach für mich bereithielt. Beim Mittagessen könnte ich vorschlagen, den Rasen zu mähen, der hatte es nötig, und falls das nicht auch zu jemandes Hoheitsbereich gehörte, wäre ich imstande, ihnen einen nützlichen Dienst zu tun. Das alles zusammengenommen war für den Moment fast schon so etwas wie Glück.
    Ruth sagte: »Kriegst bei mir aber zu Kost und Logis nicht mehr als einen Hungerlohn.«
    Ich nickte und dachte: Ein Job ist ein Job.
    Â 
    Von hinten näherten sich Schritte. Die Lederstiefel, die neben Ruth stehen blieben und einen Kiesel ins Wasser kickten, hatte ich schon einmal gesehen.
    Â»Na, Ruthi, nicht als Müllsammlerin unterwegs?«
    Eine angenehme Stimme, norddeutsch, aber nur ein bisschen.
    Â»Ist noch zu früh im Jahr. Außerdem werde ich es doch wohl kaum im Sperrgebiet der Schiffseigner machen, du Tourist!«
    Â»Hier würde es sich lohnen, und weiß ich denn, was du alles für die Bootsheinis tust?«
    Â»Sei nicht frech, Kleiner! Die Bootsleute konsumieren bei mir und zahlen dafür. Kümmere dich lieber um dein Strandstück.«
    Â»Mein Strand ist dein Strand.«

    Â»Würdest dich ganz schön umgucken, wenn ich da nicht für Ordnung sorge. Wo warst du überhaupt die letzten drei Tage? Das Faxgerät macht komische Geräusche.«
    Â»Ich versuche neben der Beschäftigung mit deinen technischen Geräten einen Beruf auszuüben, damit ich deine Miete zahlen kann, Teuerste.«
    Â»Bah!«
    Der »Kleine«, der in den dreckigen Motorradstiefeln steckte, war schätzungsweise eins neunzig, Mitte dreißig und mit seinem dichten, schulterlangen Haar, das in Strähnen über dunkle Augen fiel, ein durchaus erwachsener und einigermaßen erfreulicher Anblick.
    Â»Guck mal, Frank«, sagte Ruth und legte mir die Hand auf die Schulter. »Mir ist da ein Nichtlein reingeweht!«
    Ich streckte die Hand zu ihm hoch: »Katia.«
    Er erwiderte einen kräftigen Händedruck: »Ganz schön groß für ein Nichtlein, sie könnte dir noch im Sitzen auf den Kopf spucken.«
    Ruth kicherte. »Darf ich vorstellen: Das ist Frank Schneider, mein montags nie charmanter Nachbar, Mieter und – ja, was bist du noch?«
    Der Mann aus der Fischerhütte, dachte ich, Gemüsebeete und Kräuter im Fenster.
    Â»Mann für alle Fälle?«, schlug er vor, und Ruth sagte gut gelaunt: »Träum weiter!«
    Er grinste immer noch. »Und was macht ihr hier?«
    Â»Rauchen. Siehst du doch.«
    Er schaute Ruth und mich an, schüttelte dann aus einem mir nicht verständlichen Grund den Kopf und sagte: »Da will ich euch mal nicht weiter stören. Ich komme später vorbei und schaue nach dem Fax.«

    Ruth nahm es zur Kenntnis, ohne noch einmal zu ihm aufzusehen. Er stieß einen hellen Pfiff aus, worauf zwei magere Hunde mit langen Schnauzen, ein großer heller und ein etwas kleinerer dunkler, über den Zaun setzten und hinter ihm her rannten.
    Â»Gut erzogene Tiere!«, sagte ich, als das Trio außer Hörweite war.
    Â»Ich hasse Hunde! Kacken überall hin«, sagte Ruth.
    Â»Wieso nennt er dich Müllsammlerin?«, fragte ich.
    Sie lachte: »Das zeige ich dir ein anderes Mal. Wir kommen zu spät zum Mittagessen!«
    Ich sprang auf, sie ergriff tatsächlich meine ausgestreckte Hand, ließ sich von mir hochziehen und eilte in Richtung Strand, so dass ich Mühe hatte mitzukommen.
    Nach fünfhundert Metern blieb sie stehen und fragte, ob ich ein Telefon dabeihätte. Ich griff in meine Jackentasche und reichte es ihr. Sie gab es mir zurück und sagte: »Hier ist eine Stelle, an der man guten Empfang hat. Du wolltest doch telefonieren.«
    Â»Ich? Nein, wie kommst du darauf?«
    Â»Nun, ich bin mir sicher. Tu es ruhig jetzt gleich. So viel Zeit muss sein. Wir sehen uns bei Tisch.«
    Ich schaute der kleinen drahtigen Gestalt nach, bis sie hinter einem Steinwall verschwunden war, drückte die Kurzwahltaste für meinen Vater, wunderte mich ein bisschen über die Tante und sehr viel mehr über mich selbst.
    Ich hatte Glück, es war nur der Anrufbeantworter dran und ersparte mir ein Gespräch.

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