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Das Meer in Gold und Grau

Das Meer in Gold und Grau

Titel: Das Meer in Gold und Grau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Peters
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sagte der Doc und machte sich auf den Weg nach draußen.
    Ich sah seine rundliche Gestalt später allein über den Deich wandern, von Ruth keine Spur.
    Â 
    In Halsung kaufte ich eine Postkarte mit aufgewühltem Strandpanorama ohne genaue Ortsangabe, lieh mir einen Kugelschreiber und warf die Karte in den nächsten Briefkasten.
    Â 
    Lieber Papa, an der Ostsee gibt es reine Luft, mildes Klima und einen guten Sommerjob für mich: Ich arbeite jetzt in einem Hotel. Das ist viel besser, als reicher Leute Kinder zu hüten! Es würde Dir gefallen, mich fleißig zu sehen. Melde mich bald ausführlicher und küsse Dich. Deine K.
    Â 
    Als ich abends draußen auf einem Felsen saß und den Rauch in die blau dämmernde Aussicht blies, ertönte von hinten eine Stimme im nachgeahmten Iwan-Rebroff-Sound:
    Â»Das Fräulein stand am Meere
und seufzte lang und bang,
es rührte sie so sehre
der Sonnenuntergang.«

    Â»Nix Rührung oder Seufzer, Tante, ich schaue nur aufs Wasser.«
    Â»Geht’s dir gut, Nichte?«
    Ich war ob der Frage überrascht, drehte mich zu ihr um, konnte aber in der Dämmerung ihr Gesicht nicht erkennen.
    Â»Bestens. Wieso fragst du?«
    Â»Du gehst nie aus, lädst keine Freunde ein, treibst dich nicht in der großen, bunten, weiten Welt herum, wie es deinem Alter angemessen wäre.«
    Â»Mir ist es hier bunt genug.«
    Sie kam näher, blieb wenige Schritte hinter mir stehen.
    Â»Das Palau ist ein Gebilde, dessen Zeit bald abgelaufen sein könnte. Das muss jedem klar sein, der sich mit uns einlässt.«
    Â»Wie bitte?«
    Ich fragte mich, was sie bezwecken wollte, wünschte, sie würde einen anderen Ton anschlagen, von mir aus wieder irgendwas zitieren, Hauptsache, Schluss mit dieser deprimierten Ernsthaftigkeit. Die Tante hustete und fuhr fort: »Reichlich Vergangenheit, wenig Zukunft, das meiste irreversibel vorbei.«
    Ich zuckte mit den Schultern. Wenn ich nur auf der Durchreise bleibe, brauchen mich Verfallsdaten nicht zu kümmern, dachte ich und hoffte, sie würde nicht so weitersprechen.
    Â»Möglich, dass die Konzeption veraltet, die Aussichten schlecht und unsere Tage gezählt sind, aber das Ganze, Katia, war ziemlich gut. Ist es noch immer. Nicht perfekt, aber ziemlich gut.«
    Â»Für mich allemal«, sagte ich und versuchte ein Lächeln.
    Â»Nicht nur für dich! Kannst du bitte mal über deine eigene Mütze hinausdenken?«
    Wir werden uns wieder streiten, dachte ich: Ich werde falsche Stichworte geben, und die Tante wird in die Luft gehen.

    Ich sagte: »Natürlich: Nicht nur für mich.«
    Ruth blieb unerwartet ruhig: »Was würde zum Beispiel aus einem wie Heinrich ohne das Palau? Schon mal darüber nachgedacht?«
    Â»Keine Ahnung. Altersheim.«
    Â»Eben.«
    Â»Nicht schön.«
    Â»Kann man sagen. Sicher, dort wäre auch jemand da, der für ihn kocht, wäscht und sauber macht, wahrscheinlich wären sie sogar nett zu ihm, aber wer würde seinen Vorträgen zuhören, wen könnte er mit seinem Wissen bereichern oder nerven, wo gingen seine Wanderungen hin? Bei gutem Wetter dreihundert Meter durch den umzäunten Park, ansonsten den Flur rauf und runter? Was findet man da überhaupt, Fieberthermometer, Mullbinden, Pillendosen? Ohne uns wäre Heinrich schon vor zehn Jahren ein Sozialfall gewesen, ein überflüssiger Schwätzer, den sich keiner seiner Blutsverwandten zumuten möchte. Aber wir haben ihn gerne, für uns ist er wichtig. Auch wenn er die meisten seiner Rechnungen nicht bezahlt.«
    Â»Ich möchte ihn auch nicht missen.«
    Â»Aber das alles hier wird eines Tages vorbei sein. Aus, Ende, Finito! Verstehst du, was ich dir damit sagen will?«
    Ich sah einer Möwe beim Landen zu und sagte: »Lieber nicht.«
    Vor mir klatschte etwas ins Wasser, und ich dachte, wie merkwürdig das ist, dieser Drang, Steine ins Meer zu werfen, sie mit einem Platscher zu versenken, möglichst weit draußen, selbst kleine Kinder können darin eine unglaubliche Ausdauer entwickeln.
    Â»Auch eine Einstellung. Nicht mal die schlechteste«, sagte Ruth so leise, dass ich sie kaum verstand.

    Ich hörte ihr Feuerzeug, atmete ihren Rauch ein, hätte meine Worte gerne wieder zurückgenommen, stattdessen etwas anderes gesagt, etwas Tröstliches, oder Widerspruch eingelegt.
    Â»Bei der Caritas kriegt er nicht mal sonntags einen

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