Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Meer in Gold und Grau

Das Meer in Gold und Grau

Titel: Das Meer in Gold und Grau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Peters
Vom Netzwerk:
nächstgelegenen Geldautomaten fahren mussten, um ihre Rechnung begleichen zu können, und zweitens eine E-Mail-Adresse fürs Palau einzurichten, damit Anfragen auch online erfolgen konnten, wenn schon die Möglichkeit der automatischen Buchung nicht bestand.
    Â»Was ist daran schlimm?«, wollte ich wissen.
    Â»Ruth befürchtet, das könnte der Anfang vom Verlust unserer Identität sein.«
    Â»Du lieber Himmel!«
    Â»Vielleicht hat Frank zusätzlich noch ein paar Dinge ausgesprochen, die sie nicht hören wollte. Na ja, egal, sie beruhigt sich schon wieder.«
    Elisabeth schien nicht näher darauf eingehen zu wollen, und da Heinrich eine Rede gegen »rücksichtslose Modernisierer und dreiste Profitler« anstimmte, besann ich mich auf das noch zu entfernende Unkraut zwischen den Wegplatten vom Parkplatz zum Hauseingang und verschwand.
    Ich deutete Ruths Ablehnung zunächst als Technikfeindlichkeit, die in einer generellen Angst vor Veränderungen wurzelte, aber damit war ich auf dem Holzweg.
    Vielleicht hätte ich mich dafür interessieren sollen, welche konkreten Befürchtungen Ruth und Elisabeth umtrieben, statt mich, wie gewöhnlich, von Konflikten fernzuhalten. Aber sie kamen seit Jahrzehnten bestens ohne meine Einmischung klar. Es gab auch so genügend Ärger, in den ich hineinrutschte, und für mitfühlendes Verständnis fehlte mir die Begabung. Niemand, den ich je trösten wollte, hat sich danach sichtbar besser gefühlt; die wenigen Menschen, die bei mir Beistand gesucht haben, waren damit nicht eben gut beraten gewesen, und weil
ich von meiner Unfähigkeit in diesem Bereich überzeugt war, ignorierte ich vorsorglich sämtliche Hinweise und Andeutungen. Eine friedenserhaltende Maßnahme, redete ich mir ein, konfliktvermeidende Neutralität.
    Man könnte es auch Feigheit nennen.
    Andererseits: Was hätte es geändert?
    Â»Dinge geschehen«, sagte die Tante, »mit und ohne Kopfstand.«
    Â 
    Mitte Juli füllte sich das Haus, wenn auch langsam. Acht der zwölf Zimmer waren mit Feriengästen belegt, Ania und Bascha teilten sich nun dauerhaft das Zimmer eins. In der Kammer neben dem Schwalbennest war Sergejs Schwester Olga eingezogen, die ihre Abende damit verbrachte, die Telefonrechnung lautstark in astronomische Höhen zu treiben. Tagsüber redete sie kaum etwas, huschte morgens in die Küche, schien sich den ganzen Tag kaum von Spülmaschine und Schneidbrett wegzubewegen und weigerte sich, mit uns in der Kajüte zu essen. Sergej sagte: »Lasst Olga, war sie schon immer komisch mit den Deutschen« und kümmerte sich nicht weiter um sie. Ab und zu schmetterte er einen knappen Befehl in ihre Richtung durch die Küche. Ich war solchen Ton von Sergej nicht gewohnt und fuhr jedes Mal zusammen, wenn ich dort zu tun hatte. Kein Wort verstand ich von dem Geschrei, wunderte mich über die friedlichen Gesichter, die so gar nicht zu ihrem Umgangston passten, und dachte, es könnte russische Eigenart sein, sich unter Geschwistern anzubrüllen. Dass Olga schwerhörig war, registrierte ich erst nach mehreren Wochen.
    Â 
    Die »Sommermannschaft« war vollständig, acht Personen, den Doc und die Dorfaushilfen nicht mitgerechnet, aber: mich.

    Mit mir wurde gerechnet, ich ließ mit mir rechnen, zählte die Tage meines Aufenthalts nicht mehr einzeln ab, orderte die restlichen drei Kisten mit meinen Sachen, entsorgte die Hälfte des Inhalts gleich wieder auf dem Kirchenbasar von Liefgaard und hängte fünf eigene Bilder an die Wand im Schwalbennest. Ich übte mich vorsichtig im »Fußfassen«, obwohl Ruth zu diesem Thema nichts mehr gesagt hatte.
    Es ging mir gut in diesem Juli. »Angekommen« war vielleicht zu viel gesagt, aber nach beinahe drei Monaten schaffte die zeitliche Ausdehnung des Vorläufigen beinahe schon so etwas wie Sesshaftigkeit, ob ich wollte oder nicht. Ich wollte aber, sogar sehr, ging nicht mehr davon aus, jeden Moment abzuhauen oder noch vor Ende des Sommers das Arbeitsamt aufzusuchen, dachte sogar darüber nach, meinen Zweitwohnsitz in Halsung anzumelden, wagte es allerdings noch nicht, mit Ruth oder Elisabeth darüber zu sprechen.
    Â 
    Wollte ich versuchen, die Wochen dieses Sommers zu zeichnen, würde ich einzelne Punkte auf ein Blatt setzen, die erst später, wenn man sie endlich verbunden hätte, eine Form erkennen ließen. Ähnlich wie bei

Weitere Kostenlose Bücher