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Das Meer in Gold und Grau

Das Meer in Gold und Grau

Titel: Das Meer in Gold und Grau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Peters
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Schnaps!«, setzte die Tante nach und lachte bitter.
    Â 
    Â»Katia, es wäre wünschenswert, dass du draußen als Bedienung besser kenntlich bist«, sagte Elisabeth zwei Tage später beim Frühstück. Bevor ich, von der Vision einer häubchengekrönten Serviererinnentracht wenig begeistert, etwas erwidern konnte, schnauzte es hinter dem Tagblatt hervor: »Schwarzer Vorbinder reicht! Wir sind hier nicht in Wien!«
    Â»Als ob ich das nicht wüsste!«
    Elisabeth verzog das Gesicht, schien aber nicht sonderlich beleidigt zu sein.
    Â»Vielleicht könnte sie wenigstens ein Kopftuch umbinden?«
    Ich sagte mit einem Maximum an Verzweiflung in der Stimme: »Kopf-tuch?«
    Elisabeth verdrehte die Augen.
    Â»Die gnädige Frau meint deine Frisur, Nichte«, sagte Ruth und grinste.
    Bisher hatte kein Mitglied der Mannschaft etwas an meiner Aufmachung auszusetzen gehabt, und ich nahm an, zwischen den geblümten Kitteln, polnischen Dauerwellen und schwarzen Rollkragenpullovern fiele mein Aufzug nicht weiter ins Gewicht.
    Elisabeth war mit Beginn der Saison dazu übergegangen, tagsüber, wenn sie nicht mit Backen beschäftigt war, einen schwarzen Rock mit weißer Bluse zu tragen, was dazu führte, dass beinahe jeder, der den Betrieb nicht näher kannte, sie augenblicklich als Chefin ansah. Manche nannten sie »Direktorin«
oder »Patronin«, andere »Dame des Hauses«. Elisabeth gefiel das.
    Â»Kleider machen zwar keine Leute«, sagte sie, »aber sie helfen bei der Orientierung.«
    Â»Blödsinn«, sagte Ruth.
    Â»Dich, werte Ruth, halten sie allenfalls für den Hausmeister.«
    Â»Und wenn schon!«
    Â»Ich bin mit Elisabeths Theorie einverstanden«, sagte ich, »da kann ich weiterhin gelassen meine zerlöcherten Jeans tragen, in der Gewissheit, den Leuten damit genug über mich zu verraten.«
    Zwei Augenpaare sahen mich an: eins mitleidig, eins spöttisch.
    Â»Lizzy, du hattest Recht: Sie macht sich nichts daraus.«
    Â»Geschmäcker sind ein weites Feld.«
    Das Thema Kleider wurde fallen gelassen.
    Dass ich mir in der folgenden Woche ein Paar schwarze Jeans und ein halbes Dutzend weiße T-Shirts kaufte, mir die Haare auskämmte und zum Pferdeschwanz band, blieb zu meiner Enttäuschung von beiden zunächst unkommentiert. Einzig Heinrich erhob sich sofort bei meinem Erscheinen, verbeugte sich leicht und sagte: »Formidable!«
    Bascha hatte schon zwanzig Minuten um mich herumgewischt, als sie bemerkte: »Siehst aus wie Mensch.«
    Immerhin.
    Ich lief bereits fast eine Woche »zivilisiert« herum, als Ruth sich eines Nachmittags, während ich hinter der Theke einen Kaffee brühte, an meinem Rücken vorbeischlich und mit einem kurzen, scharfen Ruck an meinem Zopf riss.
    Â»Au!«

    Holzhackerlache. »Nicht unpraktisch, die neue Frisur.«
    Â»Sehr witzig!«
    Als ich dem Gast seinen Kaffee gebracht hatte, stand Ruth noch immer hinter der Theke und wartete auf mich. Sie nahm mich beim Arm, zog mich durch die Schwingtür in die Küche, wo Sergej gerade etwas brüllte, das sich wie »Kapusta!« anhörte.
    Â»Gefällt dir dein neuer Kleidungsstil?«
    Sie hatte immer noch die Hand an meinem Arm, und ich fragte mich, was das hier werden würde.
    Â»Ja, klar. Dir nicht?«
    Ruth lockerte ihren Griff, fuhr sich durch die Haarstoppeln.
    Â»Doch. Steht dir.«
    Â»Danke. Warum fragst du?«
    Â»Ich möchte nicht, dass du dich nur wegen altmodischer Tanten anders anziehst. Wegen uns musst du nichts an dir verändern, das solltest du wissen.«
    Ich war gerührt, versuchte etwas zu sagen, aber Ruth war noch nicht fertig.
    Â»Obwohl man zugeben muss, dass du vorher ausgesehen hast wie einer von Anias abgeranzten Wischmopps. Ein Wunder, dass die Gäste keine Angst vor dir gehabt haben!«
    Ich nahm sie bei den Schultern, drückte ihr einen Kuss auf die Stirn, und Ruth sagte: »Jetzt mal … nun also.«
    Frank wollte es mir später nicht glauben, aber ich bin mir sicher, dass sie rot geworden war.
    Sie zog nie wieder an meinem Pferdeschwanz, nannte mich aber fortan ab und zu »mein wohlgestaltetes Nichtlein«, wofür sie allerdings einen Premiummoment haben musste, und davon gab es in diesen Wochen nicht viele.

    Â 
    Elisabeth kümmerte sich, während der Regen die Leute im Haus hielt, nahezu allein um die Unterhaltung der Hotelgäste oder Besucher,

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