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Das Meer in Gold und Grau

Das Meer in Gold und Grau

Titel: Das Meer in Gold und Grau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Peters
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diesen durchnummerierten Pünktchen in Rätselheften für Kinder, die erst dann, wenn sie mit dem Filzstift verbunden werden, ein Bild ergeben. Meine Mutter hatte öfter selbst welche für mich entworfen, als ich noch klein war: Mickymaus, Schneewittchen, Peter Pan. Micky musste später zerrissen werden, wegen Mamas neu erstarktem Antiamerikanismus.
    Als sie weg war, habe ich versucht, selbst solche Bilderrätsel zu zeichnen, pauste meine Lieblingsfiguren durch, ein Zirkelstich an jeder markanten Stelle, mit mäßigem Erfolg. Donalds Schnabel verrutschte, Micky, der jetzt wieder mitmachen
durfte, hatte seine Ohren an der falschen Stelle sitzen, und Plutos Schwanz vergaß ich komplett.
    Mein Palau-Bild wäre eine Insel in Form eines Oktogons: der Beginn der Transformation des Quadrates in den Kreis, gefasst in den Farben Rot, Grün, Blau. Ruth würde dazu sagen, dass ich nicht mehr alle Tassen im Schrank hätte.
    Â 
    Immer noch sehe ich den glühenden Punkt im Strandkorb zwölf, aufglimmen, abglimmen, sich ständig weiter entfernen, obwohl das nicht sein kann. Sie saß da, unbeweglich, manchmal halbe Nächte lang, »hab zu tun, Kleine«, wollte sich nicht unterhalten. Morgens fegte ich dann die Kippen weg und hoffte, es möge jetzt wieder für einige Zeit genug des einsamen Strandkorbhockens sein, und wir könnten erneut zu Wortgefechten und Gelächter übergehen. War Ruth nach dem Frühstück wieder normal, schob ich die Sorge um eine einsam im Strandkorb vor sich hin grübelnde Frau beiseite und wünschte, dass es diesmal für länger sein könnte.
    Die Abstände zwischen den Glutpunkten verkürzten sich, aber die Verbindungslinien ergaben trotzdem lange kein Bild.
    Â 
    Vielleicht war ich aber auch schlicht zu beschäftigt mit der Erfüllung meiner neuen Funktion als Mitglied einer Hotel-Crew. Ein Ausdruck, den die Tante sich in ihrer Anwesenheit verbat.
    Ich durfte dazugehören, las regelmäßig »Hotel & Gast«, studierte Kapitel wie »Basiswissen Service« oder »Gastgewerbliche Betriebsorganisation« und gewöhnte mich an die Rolle mit der Kellnerschürze vor dem Bauch.
    Alle waren beeindruckt von meinen Trinkgelderträgen. Der Doc sagte: »Katia macht das sehr charmant« und alle, mich eingeschlossen, starrten ihn erstaunt an. »Ist so«, lächelte
er, »da braucht ihr nicht so schauen. Sie ist gleichbleibend freundlich, verlässlich zur Stelle, wenn sie gebraucht wird, und sie sieht auch nicht ganz so verschrumpelt aus wie wir. Bei ihr ist das Café in guten Händen. Und wer weiß, was sonst noch alles.«
    Mir war nicht bewusst, dass der Doc mich auch nur einmal draußen beim Bedienen beobachtet hätte, geschweige denn, was er mit seiner Rede eigentlich sagen wollte. Ich erschrak, suchte nach einer abschwächenden Erwiderung, sagte: »Ich verteile doch nur Kaffee und Kuchen«, und wunderte mich, dass die Tante nicht mich, sondern den Doc beobachtete.
    Â»Doc, hast du was Hartes getrunken?«, fragte Elisabeth.
    Â»Nee«, sagte der Doc.
    Ruth sagte: »Tempora mutantur.«
    Der Doc sah sie scharf an und sagte: »Nos et mutamur in illis.«
    Â»Könnt ihr bitte Deutsch sprechen?«, sagte ich.
    Heinrich übersetzte: »Die Zeiten ändern sich, und wir ändern uns mit ihnen.«
    Â»Und?«
    Â»Ist eine Tatsache.«
    Ruth nahm ihren Tabaksbeutel an sich, stand auf, klopfte mir im Vorbeigehen auf den Rücken, sagte: »Bist doch sonst so ein kluges Kind« und verschwand nach draußen.
    Der Doc schaute ihr nach, seufzte: »Ich halte jetzt wieder die Klappe.«
    Ania sagte: »Besser so.«
    Â»Ich möchte mal wissen, warum man mit fast dreißig bei euch immer noch das Kind ist«, sagte ich, fand aber kein Gehör, denn wir alle zuckten zusammen, als es plötzlich krachte.
    Â»Manchmal möchte ich euch alle zur Hölle fahren lassen!«

    Elisabeth knallte unter unseren entsetzten Blicken das Geschirr aufeinander, räumte den Tisch ab, obwohl Heinrich noch nicht mit dem Essen fertig war, und stürmte in die Küche.
    Sergej sagte: »Oje!«
    Bascha eilte hinter Elisabeth her, kam kurz darauf wieder zurück: »Will sie nicht reden!«
    Ich kapierte mal wieder gar nichts und sagte: »Dann verschwinde ich auch mal. Braucht jemand vielleicht etwas aus dem Dorf?«
    Â»Wie ähnlich du deiner Tante doch sein kannst«,

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