Das Meer in Gold und Grau
dass dies keinem, nicht einmal Ruth selbst, geschadet hat.
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Mit Unterstützung von Lina, einer Hausfrau aus dem Dorf, die sich im Sommer etwas dazuverdiente, kümmerte sich Elisabeth während der Saison hauptsächlich um den Betrieb der Kajüte und überlieà mir das Strandkorbcafé, um mich mit der Arbeit dort vertraut zu machen, bevor die Sommerferien die Gästezahlen weiter steigen lassen würden. Ich nahm die Herausforderung
an, befreite es mich doch von Anias Empfindlichkeiten, was meine Mithilfe beim Putzdienst anging. Zudem durfte ich mich in dem Gefühl sonnen, endlich einen festen Stand in der Hausmannschaft zu haben, ohne dass jemand gleich »Sie mischt sich in meinen Bereich ein!« schrie. Zu tun hatte ich genug. »Kein Vergleich zu früher«, sagte Elisabeth, aber ich war, solange der Regen sich noch nicht zum Hauptakteur dieser Saison aufgespielt hatte, auch wochentags mit dem Service ausgelastet, so dass ich einen GroÃteil der Zeit kaum anderes tat, als Tabletts zwischen Küche und Strandkörben hin und her zu balancieren. Das ging mir zunehmend leichter von der Hand, fand ich und hatte Gefallen daran. Abends massierte ich mir die FüÃe mit Franzbranntwein, stieg bald auf Gesundheitssandalen mit FuÃbett um, in der Hoffnung, dass mich niemals jemand, der mich von früher kannte, so sehen würde.
Ich war zufrieden auf meiner Insel, verlieà sie nur ungern, und sei es auch nur bis Halsung oder Liefgaard zum Einkaufen.
Als Manu mich einmal am Telefon fragte, wann ich denn »Zeit für mich« hätte, entgegnete ich ihr, was das denn sein solle, »Zeit für mich«? Und welcher Mehrwert davon zu erwarten sei, »Zeit für mich« zu haben statt für Bücher, Spaziergänge, zum Arbeiten oder für nichts. Mich kannte ich bis zum Ãberdruss.
Das klang manchmal schon verdächtig wie eine von Ruths Grundsatzreden.
Manu hörte geduldig zu, sagte, dass sie dringend mal nach mir schauen müsse, nächsten Monat könne sie Urlaub nehmen, und ob wohl ein Sonderpreis für sie drin sei.
Ich sagte: »Eventuell« und »Schauen wir mal«, betonte, dass ich während der Saison sehr beschäftigt und unabkömmlich sei, die Zimmer weitgehend ausgebucht. Trotzdem rechnete
ich nicht damit, sie auf Dauer von ihren Plänen abhalten zu können, Manu würde schon aufkreuzen, wenn ihr nicht ein neuer Mann den Sommerurlaub anderweitig füllte.
»Was ist eigentlich mit Fischer, hast du ihn noch immer nicht angerufen?«
Sie sprach nicht mehr vom »Schnösel«, das war neu.
»Hab ich fest vor. Morgen oder übermorgen.«
»Das behauptest du seit Wochen. Inzwischen tut er mir leid. Beinahe hätte ich ihn letztens zum Essen eingeladen, als er so traurig klang. Was hast du bloà mit dem gemacht?«
Er hatte sie weichgekocht. Die Ausdauer, die er an den Tag legte, war beinahe schon schmeichelhaft. Und da waren noch immer regelmäÃig diese Nachrichten auf meiner Mailbox, die ich nicht hören wollte, aber auch nicht zu ignorieren fertigbrachte. Vielleicht liebt er mich tatsächlich ein bisschen, dachte ich, so etwas kommt vor.
»Das Schicksal hat uns zusammengeführt.«
Textfetzen kamen angeflogen wie aus den Filmen, die wir gemeinsam angesehen hatten, seine Hand auf meiner, wie zufällig dort abgelegt, ein Probefühlen, pubertierenden Schülern gleich, die sich das erste Mal heimlich im Kino anfassten, Moon River, und dann der Verlust jeglicher Hemmung bis zum erbärmlichen Ende. Mir wurde übel. Einmal auf seine Masche hereingefallen zu sein war mehr als genug.
»ScheiÃe!«
»Wie bitte?«
Ich wimmelte Manu aus fadenscheinigen Gründen ab, legte auf und überlegte, wie ich dem ein Ende setzen könnte, ohne mich der Gefahr seiner samtweich einschmeichelnden Stimme auszusetzen. Dann kam mir ein Gedanke: Sie würde das für mich erledigen. Sie hatte ihn auf den Knien um Vergebung
winseln lassen und mich wie eine Diebin aus dem Haus gejagt. Er war vor ihr gekrochen, hatte kommentarlos hingenommen, dass sie mich eine Hure nannte, und mir dann später heimlich reuevolle Liebesbeteuerungen geschickt. Die beiden hatten es nicht besser verdient. Ich hob erneut den Hörer an, wusste die Nummer noch auswendig. Um diese Zeit würde ihr Anrufbeantworter dran sein.
»Frau Professor Fischer, hier ist Katia Werner. Bitte richten Sie Ihrem Mann aus, er
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