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Das Meer in Gold und Grau

Das Meer in Gold und Grau

Titel: Das Meer in Gold und Grau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Peters
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Lohn für ihre Arbeit wollte sie nichts wissen, sagte, ich solle das Geld mal lieber in das Hotel stecken, ihr Mann gebe es sonst ohnehin für unnützen Kram aus. Es wurde mit einem Mal richtig leer, als sie weg war.«
    Ruth machte ein Pause, und obwohl ich bereits einiges darüber wusste, wie es weitergegangen war, wollte ich nicht, dass sie hier die Geschichte beendet sein ließ, und sah sie auffordernd an. Sie nahm die Bekassine erneut in die Hand, drehte sie, betrachtete sie von allen Seiten.

    Â»Irgendwie doch auch schön, nicht?«
    Â»Totes Tier.«
    Â»Das hat Lizzy damals auch gesagt. Sie hat nur mehr Worte dafür gebraucht.«
    Ruth ließ den Vogel sachte wieder in die Dose gleiten, klemmte den Deckel drauf, hielt sie mir entgegen.
    Â»Willst du?«
    Ich zögerte nur den Bruchteil einer Sekunde.
    Â»Dann nicht«, sagte sie achselzuckend und ließ die Kaffeedose in einem blauen Müllsack verschwinden. Ich wollte eingreifen, streckte schon den Arm aus, als die Tante wieder zu erzählen begann.
    Â»Wir haben uns danach ab und zu geschrieben, schöne Briefe, ihre jedenfalls. So erfuhr ich auch, dass der alte von Kroix gestorben war. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass sie es allzu ernst nehmen würde, wenn ich in meinem Kondolenzschreiben mit einem Nebensatz erwähne, dass sie jederzeit bei mir einsteigen könnte, sobald es ihr in dem großen Haus zu langweilig werden würde. Einige Wochen später stand sie vor der Rezeption, versperrte mit sieben Schrankkoffern die Auffahrt und sagte: ›Da bin ich, und Geld habe ich auch mitgebracht!‹ Sie hatte tatsächlich des Freiherrn Kinder aus erster Ehe ausbezahlt und seine Edelhütte an den nächstbesten Amerikaner verkauft, um ins Palau investieren zu können!«
    Ruth legte den Kopf in den Nacken, lachte, war ganz weit weg, war sehr jung, sehr fröhlich und unbesiegbar.
    Ich hätte sie gerne gesehen, die beiden Frauen, wie sie, eine nach der anderen, ihr Leben umdrehten, alles auf diese eine Karte setzten und dann gemeinsam am Hotel weiterbauten, das ohne Elisabeths Finanzspritze bereits im zweiten Jahr am Ende gewesen wäre. Ein Novembersturm hatte die frisch
angelegte Ausflugsterrasse in einer einzigen Nacht pulverisiert und das halbe Dach gleich mit, so dass Ruths Geldmittel endgültig aufgebraucht waren.
    Ich kannte schon einige dieser »Gründerzeit-Geschichten«, wie die Tante sie nannte, aber nie hatte Ruth so ausdauernd und schön erzählt wie an diesem verregneten Tag auf dem Dachboden. Wir saßen nebeneinander, mit den Rücken ans Regal gelehnt, die Knie angewinkelt, im Schummerlicht einer einsam von der Decke herabbaumelnden Glühbirne, vergaßen Zeit und Steuerunterlagen und alles andere auch.
    Â»Ich quatsch dir die Tasche voll.«
    Â»Niemals! Erzähl weiter!«
    Elisabeth hatte nach und nach die meisten der Möbel heranschaffen lassen, mit denen die von Kroix’sche Villa vollgestopft gewesen war, und sie über die Hotelzimmer verteilt.
    Â»Musste man ja nicht alles den Nachkommen oder dem Ami in den Rachen werfen!«
    Im Palau wurde der Parkplatz angelegt, ein Gartenarchitekt beauftragt, das Obergeschoss weiter ausgebaut, maßgefertigtes Mobiliar und eine Musikanlage für die Kajüte angeschafft, der Küstenstreifen gefestigt, das freiherrliche Restvermögen großherzig verausgabt. Es wurde vornehm im Strandhotel, das sie nach gemeinsamer Benn-Lektüre in einer Sommernacht Palau getauft hatten, und es sprach sich herum, dass man jetzt an der Ostsee, in der Halsunger Bucht, zwischen Antiquitäten und Meeresrauschen stilvoll seine Sommerfrische verbringen konnte, den Tee dabei von einer echten Adeligen serviert bekam, in feinem Wiener Porzellan.
    Â»All so ein Scheiß«, sagte die Tante und sah dabei nicht aus wie jemand, der von einem Scheiß sprach.
    Â»Wir waren schon damals ein bisschen eigen, aber die Leute
mochten das, kamen von Hamburg, Berlin, München angereist, um auf die See zu schauen und ihren Earl Grey aus den Goldrandtässchen des von Kroix’schen Familienservice zu schlürfen, während sie in einer Henry-James-Ausgabe von 1951 blätterten. Eine goldene Nase hätten wir uns verdient, wenn nicht die Erhaltung von Haus und Gelände so viel Geld gefressen hätte und der Osten nicht mit seinen frisch restaurierten Bädervillen in Konkurrenz gegangen wäre. Na ja. War aber auch so

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