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Das Meer in Gold und Grau

Das Meer in Gold und Grau

Titel: Das Meer in Gold und Grau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Peters
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wenn’s weiter so schüttet!«
    Â»Katia kümmert sich sofort drum«, sagte die Tante, »wir sind hier sowieso fertig.«
    Ich sah auf das halb ausgeräumte Regal, die leeren Aktenordner, die sich davor auf dem Boden stapelten. Elisabeth folgte meinem Blick, schaute zu Ruth, die sich wieder abgewandt hatte und dringend irgendetwas im Regal zu suchen schien.
    Â»Lizzy, weißt du, wo die alten Fotoalben abgeblieben sind?«
    Â»Ja, sicher«, sagte Elisabeth und es klang eher wie eine Frage.
    Â»Gut«, sagte die Tante und schien mit dieser Auskunft zufrieden.
    Ich wartete auf weitere Instruktionen, hätte gerne mit Ruth die Fotos angesehen, weiter ihren Geschichten zugehört, nicht nur, um mich davon zu überzeugen, dass sie tatsächlich wieder in Ordnung war, aber sie machte keine Anstalten, unser Zusammensein ausdehnen zu wollen.
    Dass nicht sein kann, was nicht sein darf … Ich glaube nicht, dass dies ein Zitat ist, das ich jemals aus dem Mund der Tante gehört habe.
    Â»Geh schon, Nichte, und mach die Tonne zu!«
    Elisabeths Kopf war wieder verschwunden, ich stieg hinter ihm her. Die Tante knipste die Glühbirne aus und schlurfte zur Öffnung im Boden.
    Â»Pass auf der Treppe auf«, rief sie, und ich schluckte »Du auch« früh genug herunter.
    Ruth behielt erst einmal Recht: Es ging wieder. Sie saß in der Kajüte am Tisch, als wäre nichts gewesen, scherzte, hörte sich friedlich einen Bericht Heinrichs über seinen Streit mit Ania wegen einer möglichen, beziehungsweise unmöglichen Räumung eines seiner Vorratslager im Keller an, schien bester
Stimmung und guter Verfassung. Als ich in die Küche ging, um Wasser aufzusetzen, kam sie wie zufällig hinter mir her.
    Â»Machst du mir auch einen?«
    Â»Seit wann trinkst du Ingwertee, Tante?«
    Sie lachte: »Er soll gut für die Gesundheit sein: antioxidativ, antientzündlich, antiarteriosklerotisch, wir werden hundertfünfzig Jahre alt mit dem Zeug!«
    Dass sie meinen Blick registrierte, bemerkte ich wohl, mochte aber nichts weiter dazu sagen. Ich stellte eine zweite Tasse neben meine, schnitt die Ingwerknolle in schmale Streifen und übergoss sie mit kochendem Wasser.
    Â»Willst du Minzblätter und Honig dazu?«, fragte ich.
    Â»Wir nehmen Zitronenmelisse«, sagte Ruth.
    Â»Wofür ist die gut?«
    Â»Sie wirkt entkrampfend«, sagte die Tante, sah mich die Augen verdrehen und lachte aus vollem Hals. Ich fand es nicht lustig.
    Â»Hier, mach’s selber!«
    Virtuos fing sie den Beutel mit den Kräutern aus der Luft, zupfte die Blätter von den Stängeln und verteilte sie auf die Tassen. So gut, dass ich wusste, sie war nicht wegen eines Kräutertees hinter mir her gekommen, kannte ich sie dann doch schon.
    Â»Das vorhin sollte unter uns bleiben«, sagte sie, ohne mich anzusehen.
    Â»Hab ich kapiert«, antwortete ich und gab ihr einen der Becher in die Hand.
    Â»Kluges Kind!«
    Â»Frau!«
    Â»Von mir aus auch das.«
    Â»Du hast mir Angst gemacht, Tante!«

    Â»Angst ist kein Argument für gar nichts«, sagte Ruth und prostete mir zu: »Auf die Entkrampfung!«
    Â»Du hast Nerven!«
    Sie drohte mir grinsend mit dem Zeigefinger, stellte den Tee ab.
    Â»Igitt! Wie kannst du so eine Plörre nur trinken? Ich pfeife auf das ewige Leben!«
    Und sie verschwand mit einem kräftigen Tritt gegen die Schwingtür aus meinem Blickfeld.
    Â 
    Einige Tage lang beobachtete ich sie argwöhnisch auf der Suche nach weiteren Anzeichen für Schmerzen oder Krankheit, fand aber keine und wäre nur zu gerne bereit gewesen, die Sache zu vergessen. Ruth signalisierte entspannte Harmlosigkeit, war darin aber viel zu gut, um restlos zu überzeugen.
    Ich wurde noch den ganzen Rest der Woche unruhig, wenn ich nicht genau wusste, wo sie war, oder wenn sie von ihrem Müllspaziergang später als gewohnt zurückkehrte. Dass sie nichts davon merkt, dachte ich, bis ich einen Zettel in meinem Serviettenring fand:
    Bin am Nachmittag unterwegs und werde spät zurück sein.
Sich um mich zu sorgen ist nett, aber überflüssig.
Das gilt auch für die anderen Tage!
Liebe Grüße von deiner alten Tante R.
    Den Zettel trage ich noch immer mit mir herum.

6
Die Zukunft wird kürzer
    Leuchtend orange Bojen über die Wasseroberfläche gestreut, dazwischen kleine festgezurrte Motorboote in Blau, Rot, Gelb, dreizehn mal

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