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Das Meer in Gold und Grau

Das Meer in Gold und Grau

Titel: Das Meer in Gold und Grau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Peters
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genug für ein gutes Leben.«
    Ruth griff neben sich den Müllsack, kramte die Kaffeebüchse mit der Bekassine wieder hervor und schob sie ins Regal zurück.
    Â»Ich werfe sie ein anderes Mal weg.«
    Sie rieb sich durchs Gesicht, als wäre sie plötzlich von Müdigkeit überfallen worden, ließ einige Sekunden den Kopf in ihren beiden Händen ruhen, bevor sie sich langsam wieder aufrichtete und ihren Blick nachdenklich auf mir ruhen ließ.
    Â»Ein gutes Leben … ?«, sagte ich, damit sie nicht vergaß, wo sie stehen geblieben war.
    Â»Wie man halt so sagt. Verdammt viel Arbeit war das. Und niemals Urlaub, aber wozu hätten wir auch verreisen sollen? Andere zahlten Geld dafür, um ein paar Tage dort sein zu können, wo wir zuhause waren. Die Leute kamen zu mir, da war Abwechslung satt, und fürs Fortsein hatte ich Bücher.«
    Wieder stockte sie, schien die Lust am Reden verloren zu haben. Es wäre rücksichtsvoller gewesen, ihre Erschöpfung zu bemerken, sie zu schonen, aber ich wollte so sehr, dass sie weitererzählte.
    Â»Wann sind die anderen gekommen? Sergej, die Schwestern, Heinrich?«
    Ruth seufzte: »Lange Geschichten.«

    Â»Erzähl schon!«
    Â»Den Russen hat Elisabeth angeschleppt, frisch aus der Küche eines burgenländischen Jugendheims, den musst du mal selbst ausfragen. Heinrich ist hängen geblieben, nachdem er im ersten Urlaub nach seiner Pensionierung von seiner Familie unmissverständlich davon in Kenntnis gesetzt worden war, dass niemand ihn bei sich unterzubringen wünschte. Ah! Das ist eine traurige Geschichte. Aber Bascha, die stand eines Tages an der Rezeption, fragte nach Arbeit und … Moment, irgendwo habe ich noch diese ganzen Bilder.«
    Sie rappelte sich hoch, stützte sich dabei auf meine Schulter, schnaufte angestrengt und schritt die Regalbretter entlang.
    Â»Halt das mal!«
    Ich sprang auf, ging zu ihr und nahm eine Kiste entgegen. Sie hatte sich eben wieder aufgerichtet, als sie mit einem Mal wie ein Klappmesser nach vorne schnellte, beide Fäuste in den Bauch drückte und ein Geräusch von sich gab, das mehr an das Zischen einer Maschine als an etwas Menschliches erinnerte. Ich ließ die Kiste fallen.
    Â»Was ist?«
    Ruth stöhnte: »Gleich vorbei«, und stand noch immer im rechten Winkel abgeknickt vor mir.
    Sie nahm eine Faust aus ihrem Bauch, drehte sich zur Seite und stützte sich am Regal ab, das Gesicht abgewandt, winzig und aschfahl.
    Â»Ich hole Elisabeth«, sagte ich, aber die Tante schüttelte heftig den Kopf.
    Â»Du brauchst Hilfe, wir müssen den Doc rufen!«
    Â»Warte!«, keuchte sie.
    Ich blieb dicht neben ihr, unfähig, irgendetwas Sinnvolles zu denken, geschweige denn zu tun, strich ihr sachte über den
gekrümmten Rücken, murmelte etwas von Notarzt und Krankenwagen, bekam jedes Mal ein Kopfschütteln als Antwort, versuchte, sie festzuhalten, bis ich merkte, dass der Körper unter meiner Hand sich allmählich zu entspannen begann. Sie atmete mehrmals tief ein und aus, richtete sich dann ganz langsam wieder auf, und wir merkten beide erst jetzt, wie fest sie sich in meinen linken Arm gekrallt hatte.
    Â»â€™tschuldigung.«
    Â»Tante …«
    Â»Es ist nichts, wirklich, ich hatte das schon öfters.«
    Â»Wie bitte? Du hattest das schon öfters?«
    Â»Lass mich noch einen kleinen Moment in Frieden, ja?«
    Sie atmete allmählich ruhiger, bekam wieder etwas Farbe, lächelte angestrengt: »Siehst du, geht wieder.«
    Â»Ich bringe dich nach Liefgaard, zum Doc!«
    Â»Nicht nötig!«
    Â»Sicher?«
    Â»Ja, verdammt!«
    Jetzt war ich dran mit Kopfschütteln, aber fluchend gefiel sie mir schon deutlich besser.
    Â»Ich sage dir doch: nicht schlimm«, fauchte Ruth, fast schon wieder im Originalton, »verklemmte Blähung oder so, es ist harmlos, glaub mir: Im Bauch hab ich nichts!«
    Wir hörten Schritte, es rappelte, jemand kletterte die Ausziehleiter zu uns hoch. Ruth sah mich an, legte den Finger an die Lippen. Ich nickte, spürte ihre Hand die meine drücken, bevor sie einen Schritt von mir weg trat und sich an einem Karton zu schaffen machte. Elisabeths Kopf erschien in der Bodenöffnung.
    Â»Habt ihr die Papiertonne offen gelassen?«
    Â»Möglich«, sagte Ruth, und ich fügte hinzu: »Das war ich.«

    Â»Es regnet rein, das gibt eine Riesensauerei,

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