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Das Meer in seinen Augen (German Edition)

Das Meer in seinen Augen (German Edition)

Titel: Das Meer in seinen Augen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L.B. Roth
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Erkenntnis auf, dass seine Mutter die Tür hatte offenstehen lassen. Gerade sie, die immer so sorgfältig darauf achtete, dass alles seine Ordnung hatte, sie geriet in eine Situation, in der sie vollkommen vergaß, die Haustüre zu schließen. Dann verschwand der Gedankengang wieder in den Tiefen seines verwirrten Kopfes. Egal. Er konnte sich jetzt nicht mit seltsamen Gedanken aufhalten. Momentan gab es nur noch eine Möglichkeit für ihn: Dieses Haus so schnell wie möglich zu verlassen. Was davor geschehen war und was danach geschehen sollte, konnte er draußen immer noch überdenken. Aber solange er sich hier in Paolos Haus befand, würde er nicht einen einzigen klaren Gedanken fassen können. Also stürzte sich Merlin barfuß auf die Straße. Einen Moment blieb er verwirrt stehen, weil es um ihn herum tatsächlich noch hell war. Irgendwie hatte er einen Nachthimmel erwartet. Die schrecklichen Dinge des Lebens geschahen doch meist in dunklen Nächten, oder nicht? Ein Lachen drang aus seiner Kehle, das sich identisch zu einem Schluchzen anhörte. Dann wurde seine Aufmerksamkeit auf das Haus gegenüber gezogen. Er sah hinauf und erblickte David, der an seinem Fenster stand und auf ihn hinuntersah.
    Merlins Herz tat einen Sprung. David. Das war seine Rettung. Er konnte einfach zu David gehen und sich dort erst mal von dem Schrecken erholen. Doch seine Füße weigerten sich, auch nur einen einzigen Schritt in diese Richtung zu tun. Obwohl sein Verstand es als absolut korrekt und logisch ansah, sich erst mal bei David zu verkriechen, hielt sein Gefühl ihn zurück. Etwas in Davids Gesichtsausdruck hinderte ihn. Er spürte die Sehnsucht, sich jetzt in Davids Arme fallenzulassen und seine Nähe zu spüren. Doch da war auch Furcht. Etwas stimmte nicht. Merlin konnte seinen Blick nicht von ihm abwenden. Warum bewegte er sich nicht? Starr blickte er weiter zu ihm hinunter ohne sich auch nur ein Stück zu rühren. Sicher, er hatte bestimmt mitbekommen, was vorgefallen war. Wahrscheinlich hatte er es sogar ganz genau von seinem Platz aus beobachtet. Aber ... Merlin schloss die Augen. Er spürte, dass etwas mit David nicht stimmte. David wollte ihm nicht helfen. Und dann kam ihm der Gedanke, dass David ihn nicht geschützt hatte. Wenn er schon die ganze Zeit dort an seinem Fenster stand, hatte er auch gesehen, dass seine Mutter wieder zurückkam. Er hätte anrufen können, hätte sie irgendwie warnen ... Was waren das für Gedanken? Konnte er wirklich von David verlangen, dass er ihm half, seine Affäre mit Paolo zu verheimlichen? Merlin öffnete seine Augen wieder. David stand noch immer dort und blickte kalt auf ihn hinunter.
    »Willst du nicht wieder reinkommen?«, fragte Paolos Stimme hinter ihm.
    Ohne sich noch mal umzudrehen, stürmte Merlin die Straße hinunter. Er wollte alles, nur nicht mehr mit Paolo unter einem Dach sein. Doch das stimmte nicht ganz. Wenn er ehrlich war, wollte er nur die Gefahr meiden, seiner Mutter noch mal begegnen zu müssen. Das verkraftete er heute nicht mehr. Paolo war ihm im Grunde vollkommen egal.
    Noch während des Laufens kam ihm die Lösung für seine Probleme: Christian. Er hielt an und kramte in seiner Tasche. Einen furchtbaren Augenblick war er sich sicher, dass er nicht nur seine Schuhe, sondern auch sein Handy vergessen hatte. Doch dann fand er es. Wenn alles um ihn herum zusammenfiel wie ein Kartenhaus, auf Christian war Verlass. Er rief die Nummer aus dem Kurzwahlspeicher auf und wartete das Freizeichen ab. Es klingelte nur zwei Mal, da war er auch schon dran.
    »Ja?«
    »Hallo Chris«, sagte Merlin und fing sofort wieder zu weinen an. Es war einfach zu schön jemanden am Telefon zu haben, der nichts mit all diesem Desaster hier zu tun hatte.
    »Mein Gott was ist los?«, fragte Christian erschrocken. »Ist was passiert?«
    Merlin konnte nicht antworten. Er war zu überwältigt von dem Gefühl, dass Christian sich um ihn sorgte, dass er zu ihm halten und ihm helfen würde.
    »Mensch, sag doch was!«
    »Ich - ich kann - nicht«, würgte Merlin hervor.
    »Wo bist du? Soll ich dich holen?«
    Merlin nickte stumm.
    »Hallo?«
    »Ja«, sagte Merlin endlich. »Ich - bin zu - Hause - auf der - Straße - ich ...«
    »Ich komme!«, sagte Christian sofort. »Bleib einfach wo du bist, okay? Ich bin in zwanzig Minuten bei dir!«
    Merlin nickte wieder. Dann wurde die Verbindung abgebrochen und er lauschte dem monotonen Tuten. Er atmete tief durch. Christian würde kommen und ihn abholen. Morgen

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