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Das Meer in seinen Augen (German Edition)

Das Meer in seinen Augen (German Edition)

Titel: Das Meer in seinen Augen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L.B. Roth
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zurück. Und irgendwann musste David der Wahrheit ins Gesicht sehen, auch wenn er es nicht wahr haben wollte: Er hatte seine Chance vertan. Merlin würde sich nicht noch mal vor sein Fenster stellen und darauf warten, dass er ihn in seiner unendlichen Güte zu sich hinaufwinkte. Wahrscheinlich war er jetzt bei diesem Freund - Christian. Wieder spürte David Eifersucht. Er konnte sich kaum erklären, woher sie plötzlich kam. Immerhin hatte er selbst doch nicht reagiert. Er selbst war doch derjenige, der all das hier hinaufbeschworen hatte. Wie konnte er da jetzt eifersüchtig sein? Er selbst hatte Merlin betrogen und versucht, ihn für seinen Betrug zu bestrafen. Er hatte ihm eine Falle gestellt und zugesehen, wie diese zugeschnappt war. Er hatte ihn nur voller Verachtung angeschaut, als er sich verwundet befreit und auf die Flucht begeben hatte. Wie konnte er ihm jetzt einen Vorwurf machen, wo er doch selbst alles genau so ins Rollen gebracht hatte?
    David schluchzte plötzlich los. Erschrocken hielt er sich beide Hände vor den Mund. Das war die erste wirkliche Regung, seit er sich vorhin gesetzt hatte. Dann kamen die Tränen. Es war ein Gefühl, als müsste er ertrinken. Sein Brustkorb schmerzte mit einem Mal und am liebsten hätte er sich einfach auf den Boden fallen lassen.
    Ein paar Minuten später war der Anfall vorbei und er konnte wieder halbwegs klar denken. Prüfend schaute er durch das Fernglas auf die andere Seite, ob sich vielleicht etwas verändert hatte. Doch es war noch immer alles dunkel. Jetzt konnte er wirklich kaum noch etwas sehen. Aber er vermutete, dass der Schatten, den er vorhin für Selma gehalten hatte, noch immer an seinem Platz saß. Gerade als er das Fernglas abstellen wollte, ging unten in der Küche das Licht an. Selma stand plötzlich am Küchenfenster und begann Tee aus den Schränken herauszuholen und zusammenzustellen. Also hatte er sich bei dem Schatten doch getäuscht. Dann war es vielleicht ... Merlin? Konnte es möglich sein, dass Merlin wieder nach Hause gekommen war, ohne dass er ihn bemerkt hatte? David glaubte nicht daran. Er hatte die ganze Zeit auf den Eingangsbereich des Hauses gestarrt. Doch er wollte es gern glauben. Er wünschte sich, dass dieser Schatten Merlin war.
    Selma hantierte unten mit ihren Tees. Sie sah ein wenig krank aus, aber sie bewegte sich ganz normal. Vielleicht - vielleicht sollte er einfach nachfragen. Immerhin könnte sie ihm sagen, ob Merlin tatsächlich oben auf seinem Bett saß und sich einfach nur nicht bewegte. Und wenn er es nicht war, dann konnte sie ihm vielleicht die Nummer geben von diesem - Freund, bei dem Merlin immer Zuflucht suchte. David fiel ein, dass Merlin ja sogar eine Handynummer hatte. Die zumindest würde Selma bestimmt wissen. Aber würde sie ihm die auch geben, nachdem er Merlin verraten hatte?
    David setzte das Fernglas ab. Das war ein absurder Gedanke. Die meisten Gedanken dienten nur dazu, stellte er überrascht fest, die unbewussten Wünsche durchzusetzen. Er schämte sich. Er wollte nicht mit Selma sprechen, weil sie wusste, dass er Merlin hintergangen hatte. Aber sie würde wahrscheinlich nicht so denken, weil sie es ohne ihn schließlich nie erfahren hätte. Demnach gab es eigentlich keinen Grund, ihm Merlins Nummer vorzuenthalten. Überhaupt, warum wusste er sie nicht längst? Auch wenn sie sich täglich sahen, weil sie keine zehn Meter auseinanderwohnten, sollte man doch meinen, dass Merlin ihm seine Handynummer gab - immerhin waren sie ein Paar. Auch das war wieder etwas, was David eifersüchtig machte.
    Langsam stand er auf und ging zur Tür. Er fühlte sich noch immer nicht sicher, ob er rübergehen sollte. Was war, wenn Merlin tatsächlich in seinem Zimmer saß? Musste er dann nicht zu ihm hoch? Im Grunde reichte ihm doch nur das Wissen, dass Merlin da war und nicht irgendwo anders. Er wollte wissen, dass sein Freund in Sicherheit war. Und damit meinte David nicht mal Merlins Sicherheit, sondern schlicht die Gewissheit, dass er nicht bei jemanden anderes in den Armen liegen konnte.
    Während David die Treppe hinunterging, fragte er sich, worin er genau das Problem sah. Wenn er selbst den Trost verweigerte, warum sollte Merlin dann auf den Trost anderer Leute verzichten? Als er unten angekommen war, hielt er inne. Plötzlich wurde ihm klar, dass auch das wieder eine dieser selbstsüchtigen Aktionen war. Er wollte Merlin nicht wirklich helfen, aber er wollte auch nicht, dass es andere taten. Etwas in ihm

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