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Das Meer in seinen Augen (German Edition)

Das Meer in seinen Augen (German Edition)

Titel: Das Meer in seinen Augen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L.B. Roth
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was er da gerade getan hatte. Aber Paolo beugte sich zu ihm hinüber und küsste ihn.

    123

    »Ma?« Merlin räusperte sich.
    Selma beschleunigte gerade den Wagen und zog an einem Lastzug vorbei. »Ja?«, fragte sie, ohne Merlin anzusehen.
    »Warum schläft man eigentlich mit jemanden, den man überhaupt nicht liebt?«
    Selma lachte bitter auf. »Das wüsste ich gern von dir!«
    Merlin wurde rot. Augenblicklich wünschte er sich, er hätte diese Frage erst gar nicht gestellt. Doch nun war es zu spät. Die Worte hatten seinen Mund verlassen und die Gegenfrage seiner Mutter schwebte im Raum.
    »Ich - ich weiß nicht«, sagte er schließlich.
    »Dachte ich mir schon.« Selmas Stimme klang spöttisch, aber Merlin erkannte den gutmütigen Unterton. Er atmete erleichtert auf. Warum hatte er sich eigentlich so sehr gefürchtet, seiner Mutter die Sache zu gestehen? Sicher war es auch jetzt noch nicht angenehm, aber er wusste, dass Paolo nicht mehr zwischen ihnen stand. Die Schlacht war ausgestanden. Wieder fiel Merlin auf, wie untypisch sich seine Mutter verhielt. Jede andere hätte ihren Sohn doch hochkant vor die Tür gesetzt und nie wieder mit ihm gesprochen, oder nicht? Oder war es das, was Mütter ausmachte: Ihre grenzenlose Liebe?
    »Warum redest du überhaupt noch mit mir?«, fragte Merlin mit gedämpfter Stimme.
    Selma antwortete knapp: »Du bist mein Sohn.«
    »Aber das hindert andere doch auch nicht, sich mit ihren Kindern zu zerstreiten.« Merlin dachte an die zahlreichen mittäglichen Talkshows.
    »Vielleicht hast du es noch nicht bemerkt«, sagte Selma gespielt geheimnisvoll, »aber ich bin nicht wie die anderen.« Dann wurde sie ernst. »Merlin, ich glaube, hier geht es um etwas, das viel größer ist.«
    Merlin war verwirrt. »Viel größer als was?«, fragte er dümmlich. Er konnte sich nicht vorstellen, was seine Mutter damit meinte. Aber offenbar hatte sie mal wieder einen ihrer verrückten Pläne. Augenblicklich wurde ihm mulmig zumute.
    »Manchmal schlafen Menschen miteinander, auch wenn sie sich nicht lieben«, sagte Selma ruhig. »Das passiert sicherlich bedeutend häufiger, als alles andere.« Sie machte eine Pause. »Besonders Männer können das gut, will ich meinen.«
    Merlin schluckte. Irgendwie könnte der letzte Satz eins zu eins von Linda stammen. Kurz dachte er wieder an seine Befürchtung, dass Linda mit seiner Mutter gesprochen haben könnte. Er schüttelte den Kopf. Nein, darüber wollte er jetzt nicht spekulieren.
    »Hast du mit Linda gesprochen?«, fragte er unvermittelt und war selbst überrascht, dass die Frage einfach so aus ihm hervorschoss.
    »Wie kommst du denn jetzt darauf?« Selma sah ihn kurz verblüfft an.
    »Na, die sagt auch immer sowas.«
    Selma lachte auf. »Nein, keine Sorge.« Sie schmunzelte. »Manchmal habe ich auch selbst einen hellen Moment.« Dann wurde sie wieder ernst. »Ich wollte damit auch nicht sagen, dass Männer die Schweine sind. Das wäre ein bisschen zu einfach. Aber ich glaube, dass Männer generell weniger Probleme haben, sich auf eine schnelle Nummer einzulassen.«
    Merlin spürte sein Gesicht heiß werden. Er wusste zwar, dass seine Mutter die Dinge lieber beim Namen nannte, aber dennoch würde er sich daran wohl nie gewöhnen.
    »Worauf ich eigentlich hinauswollte«, lenkte Selma das Gespräch wieder auf ihre Bahn zurück. »Männer sind die eine Seite. Von Männern erwarte ich sowas vielleicht nicht anders. Dazu gehört dann auch leider Paolo. Ich habe zwischendurch immer mal wieder geahnt, dass etwas nicht stimmt.« Sie machte eine kurze Pause. »Komischerweise bin ich meinen Zweifeln nie wirklich auf den Grund gegangen.«
    Selmas Schweigen zwang Merlin dazu, sich Gedanken über das Gesagte zu machen. Wie oft hatte er sich gefragt, wie lange es dauern würde, bis seine Mutter die ganze Geschichte durchschaute. Ja, er hatte eigentlich erwartet, dass sie ihnen schon nach der ersten Woche auf die Schliche kam. Aber stattdessen war alles so weitergelaufen. Sie hatte ihnen quasi freie Bahn gegeben, hinter ihrem Rücken eine richtige Affäre aufzubauen. Jetzt im Nachhinein empfand Merlin diese Tatsache schon fast als absurd. Seine Mutter bemerkte sonst immer alles, aber in dieser Sache war sie blind geblieben. Unmöglich eigentlich, wenn er bedachte, wie seine Mutter sonst war.
    »Ich habe es gemerkt«, sagte Selma schließlich. »Ich habe gewusst, dass Paolo mich betrügt. Aber irgendwie habe ich diese Erkenntnis immer vor mich hergeschoben.« Sie

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