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Das Meer in seinen Augen (German Edition)

Das Meer in seinen Augen (German Edition)

Titel: Das Meer in seinen Augen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L.B. Roth
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haben, dass es dich treffen wird. Hat es doch, oder?«
    »Ja.« Merlin musste es sich eingestehen. Es hatte ihn zutiefst verletzt. Doch er durfte David keinen Vorwurf machen. Vielleicht hatte seine Mutter in dieser Hinsicht ja recht, wenn sie sagte, dass es etwas war, wogegen sie sich nicht hatten wehren können. Vielleicht musste man das einfach so hinnehmen und neu beginnen? Merlin schüttelte erschrocken den Kopf. Er wollte erst gar nicht so anfangen. Dass seine Mutter jetzt wieder zurückfuhr hieß noch lange nicht, dass es für ihn und David noch mal ein Zusammenkommen geben würde. Sie würden nach Berlin gehen, das stand fest.
    »Paolo hat etwas Bösartiges an sich«, sagte Selma schließlich.
    Merlin wollte schon fast widersprechen, als sein Blick auf die Tachonadel fiel.
    »Er setzt uns ein wie Spielfiguren und ich weiß einfach nicht, was er damit bezweckt.« Selma machte eine kurze Pause. Dann sagte sie: »Aber ich werde es herausfinden.«
    Merlin schluckte. Die Art, wie sie diese Worte sagte, verhieß nichts Gutes. Eigentlich wollte er sich gar nicht ausmalen, wie ein Zusammenprall zwischen Paolo und seiner Mutter ausgehen würde.
    »Ich kann einfach nicht verstehen, wie ich die ganze Zeit so bescheuert sein konnte«, fluchte sie plötzlich und hupte einen Wagen vor sich aus dem Weg. »Verdammt, müssen die denn immer auf der linken Spur schleichen?«
    »Hier ist ja auch nur hundertzwanzig erlaubt«, merkte Merlin zaghaft an.
    »Ich hoffe, wir kommen noch rechtzeitig. Ich habe ein komisches Gefühl seit du mir das mit David gesagt hast.«
    Merlin überlegte, was seine Mutter damit meinen könnte. Irgendwie fiel es ihm schwer, das alles nachzuvollziehen. Aber vielleicht ging es auch nicht darum. Seine Mutter hatte sich etwas in den Kopf gesetzt und er folgte ihr einfach, auch wenn er noch nicht absehen konnte, wo die Reise enden würde.

    126

    Wie hypnotisiert stand David da und starrte auf Paolo und seinen Vater. Ihre Münder waren fest aufeinander gepresst, die Abwehr seines Vaters mitten in der Bewegung eingefroren. Kraftlos rutschten die Finger an Paolos Brust ab. Fast sah es so aus, als wären die beiden Männer an den Lippen zusammengenäht worden. Doch dann geschah etwas, das David noch viel mehr erschreckte, als der Kuss an sich: Sein Vater schlug die Augen auf und lächelte gewinnend. David hätte alles erwartet, nur nicht das. Und dann sah er das Funkeln in den Augen seines Vaters, jenes Aufblitzen, das er bisher nur von Paolo kannte.
    Einen Moment blieb Paolo noch ruhig stehen. Es sah aus, als hinge er einfach so in der Luft, als müsse er erst mal selbst begreifen, was er da überhaupt getan hatte. Dann taumelte er einen Schritt zur Seite und hielt sich am Türrahmen zur Küche fest. Er keuchte.
    David wurde schwindelig. Was ging hier eigentlich vor? Das alles passte doch überhaupt nicht zusammen. Er sah das Lächeln im Gesicht seines Vaters und war sich sicher, dass sein Vater niemals so reagieren würde.
    »Komm David, wir gehen«, sagte er wie ein Tonband, das zu langsam abgespielt wurde.
    David blieb stehen. Er fühlte sich außerstande, auch nur einen weiteren Schritt zu tun.
    »Was bist du?«, kreischte Paolo plötzlich. Sein Gesicht war von Panik verzerrt.
    David wich automatisch einen Schritt zurück, stolperte über die erste Stufe der Wendeltreppe und setzte sich unsaft darauf.
    Sein Vater lächelte verschlagen. »Halt den Mund, Paolo.« Dann sah er zu David rüber. »Komm jetzt!«
    David schüttelte den Kopf. Um ihn herum drehte sich alles.
    »Du bist der Teufel!«, kreischte Paolo wie von Sinnen. Sein Vater schlug ihm kräftig ins Gesicht. In einem Wirr von Bildfetzen sah David Blut aus Paolos Mund spritzen. Sein Vater hatte ihn geschlagen! Sein Vater hatte seinen eigenen Chef geschlagen! David schloss die Augen. Er fühlte die Holzstufe überdeutlich unter seinem Hintern. Dann war es, als befände er sich im freien Fall. Um ihn herum wurde es dunkel und das Gefühl des Fallens wollte nicht aufhören.
    »Wir haben einen Vertrag!«, hörte er seinen Vater aus der Ferne.
    »Nein!«, schrie Paolo als Antwort. Dann würgte er. David sah in seinem Kopf, wie sein Vater weiter auf Paolo einschlug. Mehr Blut spritzte aus dessen Lippen und langsam rutschte er am Türpfosten hinunter. Wimmernd hockte er am Boden, während sein Vater den überlegenen Part gab, noch immer mit einem gleichgültigen Lächeln auf ihn hinabsah. Dann war es ruhig. David versuchte das Drehen in seinem Kopf zu

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